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Jahresrückblick 2024: Rechtsordnung

Das Jahr 2024 war im Bereich «Rechtsordnung» von verschiedenen straf- und zivilrechtlichen Fragen geprägt, was sich unter anderem in der gestiegenen Medienberichterstattung im Vergleich zum Vorjahr widerspiegelte (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Im Strafrecht parlamentarisch und medial intensiv diskutiert wurden massgebliche Änderungen im Strafgesetzbuch und im Jugendstrafrecht, die sich als Massnahmenpaket Sanktionenvollzug präsentierten. Insbesondere die Dauer und Art der Verwahrung von jugendlichen Straftäterinnen und Straftätern sowie die Aufhebung des begleiteten Hafturlaubs für erwachsene Häftlinge waren Gegenstand harter Debatten im Parlament. Schliesslich hiessen die Räte nur die Änderungen des Jugendstrafrechts gut und lehnten die Strafgesetzbuchrevision in der Schlussabstimmung ab. Ebenfalls für viel Gesprächsstoff sorgte die Einführung eines neuen Straftatbestands für Stalking, der auf eine Kommissionsinitiative aus dem Jahr 2019 zurückgeht und zu dem sich National- und Ständerat im Berichtsjahr in einer ersten Runde äusserten. Gleich fünf gleichlautende und 2024 überwiesene Postulate aus verschiedenen politischen Lagern forderten zudem ein erstes Monitoring der 2023 abgeschlossenen und in Kraft getretenen Revision des Sexualstrafrechts.

Im Zivilrecht fand das Bundesratsgeschäft für Massnahmen gegen Minderjährigenheiraten seinen Abschluss. Mit der entsprechenden Anpassung des ZGB sollen im Ausland minderjährig verheiratete Personen in der Schweiz neu bis zu ihrem 25. Geburtstag (vorher bis zum 18. Geburtstag) ihre Ehe gerichtlich für ungültig erklären können. Auch die Zivilrechte juristischer Personen standen 2024 auf der politischen Agenda. Durch erneuten Nichteintretensentscheid verwarf der Ständerat die als Teil der zweiten Etappe der Erbrechtsrevision angedachte Vorlage zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge endgültig. Darüber hinaus nahm das Parlament die Beratung zum neuen Bundesgesetz über die Transparenz juristischer Personen sowie die Beratung einer Änderung des Zivilgesetzbuches zur Wiedereinführung von Doppelnamen in Angriff. Überdies behandelte das Parlament erstmals den bundesrätlichen Entwurf zum erleichterten Einsatz elektronischer Kommunikation von grenzüberschreitenden Zivilprozessen. Ursprünglich durch eine Motion der ständerätlichen Rechtskommission angestossen, sollen künftig Befragungen einer Person in der Schweiz im Rahmen eines ausländischen Zivilverfahrens auch ohne vorherige behördliche Genehmigung zulässig sein.

Drei Jahre nach dem Volks-Nein zur E-ID schloss das Parlament im Jahr 2024 die Beratung über das neue Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise ab. Im Unterschied zur ersten Vorlage soll die angedachte E-ID künftig nun vollständig vom Staat herausgegeben und verwaltet werden. Mitten in der parlamentarischen Detailberatung befand sich ferner das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation der Justiz. Weniger schnell voran ging es hingegen in einem weiteren Bereich der digitalen Verwaltung: Das neue Bundesgesetz für einen nationalen Adressdienst kam noch nicht zur Detailberatung, da sich der Nationalrat für eine Rückweisung des Entwurfs aussprach, was der Ständerat jedoch ablehnte.

Zusätzlich zu straf- und zivilrechtlichen Fragen beschäftigten 2024 weiterhin vor allem die anhaltenden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten die nationale Sicherheitspolitik. Dies zeigte sich unter anderem bei der Debatte um die Wiedereinführung der Rechtsberatung für durch die EU sanktionierte russische Unternehmen oder in den jährlichen Berichten des NDB zur Bedrohungslage, welcher zusammen mit anderen Ereignissen auch Brennstoff für Diskussionen um russische Spionage in der Schweiz bot. Aufgrund der steigenden Anzahl antisemitischer Vorfälle überwies das Parlament im Berichtsjahr zudem eine Motion für ein Verbot von nationalsozialistischen Symbolen in der Öffentlichkeit. Zwei parlamentarische Initiativen zum gleichen Thema sind noch in Beratung.

2024 beschäftigten auch die Bürgerrechte die Schweizer Politik. Besonders das Demonstrationsrecht wurde im Zusammenhang mit der Pro-Palästina-Proteste von Studierenden im Mai medial und politisch intensiv diskutiert (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Zudem kam die Volksinitiative «für ein modernes Bürgerrecht» im November 2024 zustande und dürfte aufgrund der geforderten Vereinfachung des Einbürgerungsverfahrens im Parlament und möglicherweise vor dem Stimmvolk für neue Kontroversen sorgen.

Jahresrückblick 2024: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2024

In der Wintersession 2024 behandelte die kleine Kammer als Zweitrat erstmals die bundesrätliche Vorlage zum erleichterten Einsatz elektronischer Kommunikation bei grenzüberschreitenden Zivilprozessen. Die RK-SR beantragte einstimmig, die Anpassung der betroffenen Artikel im Haager Beweiserhebungsübereinkommen (HBewÜ) und im IPRG anzunehmen. Wie Kommissionssprecherin Mathilde Crevoisier (sp, JU) erläuterte, komme der Verzicht auf eine Genehmigungspflicht für Telefon- oder Videokonferenzen für Personen in der Schweiz im Rahmen eines ausländischen Zivilverfahrens einem Effizienzgewinn für solche Verfahren gleich, da sowohl die Kosten für die Teilnehmenden als auch der bürokratischer Aufwand reduziert würden. Im Gegensatz zum Nationalrat, wo es noch vereinzelten Widerstand von Mitgliedern der SVP-Fraktion gab, nahm der Ständerat die Vorlage einstimmig an und schrieb gleichzeitig die der Vorlage zugrundeliegende Motion der Rechtskommission (Mo. 20.4266) ab.

In der Schlussabstimmung wurde der bundesrätliche Entwurf von beiden Räten angenommen. Er passierte den Nationalrat mit 132 zu 59 Stimmen bei 6 Enthaltungen und den Ständerat mit 43 zu 1 Stimmen, wobei jeweils Vertreterinnen und Vertreter der SVP-Fraktion dagegen votierten.

Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel in grenzüberschreitenden Zivilprozessen (BRG 24.035)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

Mitte November wurde die Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» mit 104'782 Unterschriften, wovon deren 104'569 gültig waren, eingereicht. Die Bundeskanzlei bestätigte kurz darauf das Zustandekommen des Volksbegehrens. Der Einreichung ging eine turbulente Schlussphase im Sammelstadium voraus, welche zeitlich mit der medialen Diskussion um mutmasslich missbräuchliche Unterschriftensammlungen durch kommerzielle Firmen zusammenfiel. Die Aktion Vierviertel betonte daraufhin in einem Artikel der WOZ, keine kommerziellen Anbieter zur Unterschriftensammlung beigezogen zu haben. Der Verein bekundete jedoch Mühe, genügend Unterschriften zu sammeln, was mitunter an der ungenügenden Unterstützung der SP, der Grünen und der Gewerkschaften gelegen habe.

Demokratie-Initiative

In der Herbstsession 2024 behandelte der Nationalrat als Erstrat den bundesrätlichen Entwurf zum erleichterten Einsatz elektronischer Kommunikation bei grenzüberschreitenden Zivilprozessen. Um dieses Ansinnen umzusetzen, schlug die Regierung eine Anpassung der betroffenen Artikel im Haager Beweiserhebungsübereinkommen (HBewÜ) und im IPRG vor. Mit 16 zu 7 Stimmen (1 Enthaltung) befürwortete die zuständige RK-NR sowohl Eintreten als auch die Zustimmung zur Vorlage. Laut Kommissionssprecher Christian Dandrès (sp, GE) schaffe die vorgeschlagene Erleichterung der elektronischen Kommunikation Vorteile für die Verwaltung und die Schweizer Prozessbeteiligten, denn bis jetzt musste für jeden Fall eine separate Genehmigung zur elektronischen Kommunikation erteilt werden, was besonders zivilrechtliche Fälle oft verzögert habe. Diverse Fraktionen äusserten sich positiv zum Entwurf, so betonte beispielsweise GLP-Fraktionssprecher Beat Flach (glp, AG) dessen Wirtschaftsfreundlichkeit, da auch Schweizer Unternehmungen bei einem Zivilprozessverfahren im Ausland nun einen erleichterten Kommunikationsweg vorfinden würden. Eine Minderheit um Jean-Luc Addor (svp, VS) stellte den Antrag auf Nichteintreten. Wie Addor im Plenum ausführte, stelle die Aufhebung einer Genehmigungspflicht einen Verlust an territorialer Souveränität dar, welcher keine besonderen Vorteile für die Schweiz selbst biete. Bundesrat Beat Jans versuchte seinerseits diese Bedenken aufzunehmen und merkte an, dass Videokonferenzen im Gegenteil die Schweizer Souveränität sogar stärken würden, da keine ausländischen Gerichtsvertreterinnen und Gerichtsvertreter physisch in die Schweiz kommen müssten. Sowohl beim Eintreten als auch in der Gesamtabstimmung unterlag die geschlossen stimmende SVP-Fraktion allen anderen Fraktionen und der bundesrätliche Entwurf wurde mit 123 zu 65 Stimmen angenommen. Gleichzeitig wurde die der Vorlage zugrundeliegende Motion der RK-SR (Mo. 20.4266) für modernere grenzüberschreitende Zivilprozesse stillschweigend abgeschrieben.

Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel in grenzüberschreitenden Zivilprozessen (BRG 24.035)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

In Erfüllung einer Motion der RK-SR (Mo. 20.4266) hatte der Bundesrat im November 2022 einen Entwurf zum erleichterten Einsatz elektronischer Kommunikation bei grenzüberschreitenden Zivilprozessen in die Vernehmlassung geschickt. Künftig sollen Befragungen mittels Telefon- oder Videokonferenz einer Person in der Schweiz im Rahmen eines ausländischen Zivilverfahrens auch ohne vorherige behördliche Genehmigung zulässig sein; eine vorgängige Mitteilung wäre ausreichend. Diese Regel soll zudem auch auf Anhörungen ausserhalb des Beweisverfahrens, beispielsweise beim Vorbringen der Prozessparteien, ausgeweitet werden. Um dies umzusetzen, würde eine Anpassung der betroffenen Artikel im Haager Beweiserhebungsübereinkommen (HBewÜ) und im IPRG erfolgen. In der Vernehmlassung stiess der Entwurf auf breite Zustimmung. Der Bundesrat verabschiedete daraufhin im März 2024 seine Botschaft zuhanden des Parlaments, welche, unter Anpassung einiger technischer Details, inhaltlich praktisch unverändert geblieben war.

Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel in grenzüberschreitenden Zivilprozessen (BRG 24.035)
Dossier: Revision der Zivilprozessordnung (2018–)

In Umsetzung der parlamentarischen Initiative Stamm (svp, AG) legte die RK-NR im November 2023 einen Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuches vor. Die darin geregelte Namensführung von Eheleuten und Paaren in eingetragener Partnerschaft soll um die Möglichkeit eines amtlichen Doppelnamens erweitert werden. Wie sie in ihrem Bericht erklärte, orientierte sich die Kommission an der in der Vernehmlassung am besten aufgenommenen Variante und bezog auf Anregung eines grossen Teils der Stellungnehmenden zusätzlich die Kinder mit ein.
Neu sollen sich beide Partner unabhängig voneinander für einen Doppelnamen mit oder ohne Bindestrich entscheiden können, wobei der Name des Partners bzw. der Partnerin dem eigenen Namen angefügt, nicht vorangestellt, wird. Wählt das Paar einen der beiden Ledig- oder bisherigen Namen zum Familiennamen, muss dieser im Doppelnamen an erster Stelle stehen. Ist dieser Name bereits ein Doppelname, kann kein dritter Name hinzugefügt werden. Im Doppelnamen können nicht mehr als zwei Namen getragen werden. Trägt eine der beiden Personen bereits vor der Eheschliessung bzw. Eintragung der Partnerschaft einen Doppelnamen, muss sie sich für einen davon entscheiden, um einen neuen Doppelnamen bilden zu können. Davon ausgenommen sind historisch gewachsene, sogenannte echte Doppelnamen.
Ein Doppelname kann auch zum Familiennamen erklärt werden. In diesem Fall tragen beide Partner sowie die gemeinsamen Kinder den gleichen Doppelnamen. Wird kein Familienname bestimmt oder sind die Eltern nicht verheiratet, können gemeinsame Kinder künftig dennoch einen Doppelnamen tragen, der sich aus den Namen der Eltern zusammensetzt, wobei alle Geschwisterkinder denselben Namen tragen müssen. Wenn bei unverheirateten Eltern ein Elternteil bereits einen Doppelnamen trägt, zum Beispiel durch eine frühere Heirat, kann dieser ebenfalls an die Kinder weitergegeben werden.
Angepasst werden muss darüber hinaus die Regelung für das Bürgerrecht der Kinder. Im Grundsatz sollen die Kinder wie bisher das Kantons- und Gemeindebürgerrecht desjenigen Elternteils erhalten, von dem sie den Namen übernehmen. Kinder mit Doppelnamen, der sich aus den Namen beider Elternteile zusammensetzt, sollen neu beide mit den Namen verknüpfte Kantons- und Gemeindebürgerrechte erhalten. Dies werde bereits heute so gehandhabt, wenn Kinder nach ausländischem Namensrecht die Namen beider Elternteile erhielten, führte die Kommission im Bericht aus.
Mit der Einführung der amtlichen Doppelnamen wird der gewohnheitsrechtliche, nicht amtliche Allianzname abgeschafft. Statt eines Allianznamens soll künftig ein Doppelname mit Bindestrich geführt werden können, der sowohl im Ausweis als auch im Personenstandsregister so eingetragen wird. Für bereits nach bisherigem Recht verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Personen ist die Möglichkeit vorgesehen, dass sie den gewohnheitsrechtlich geführten Allianznamen als amtlichen Namen eintragen lassen können. Alternativ sollen sie durch einfache Erklärung einen Doppelnamen nach neuem Recht bilden können.
Der Entwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet.

Ermöglichung von Doppelnamen bei der Heirat (Pa.Iv. 17.523)
Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

Im Mai 2023 lancierte der zivilgesellschaftliche Verein Aktion Vierviertel, unterstützt von der Stiftung für direkte Demokratie, Campax, der Operation Libero sowie der SP und den Grünen, die Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht» (Demokratie-Initiative). Die Initiative verlangt, dass Ausländerinnen und Ausländer nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz und mit Grundkenntnissen einer Landessprache einen Anspruch auf Einbürgerung erhalten sollen. Davon ausgenommen wären Personen mit rechtskräftigen längerfristigen Freiheitsstrafen und Gefährdungspotenzial für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz. An der zur Lancierung des Volksbegehrens einberufenen Medienkonferenz wiesen Angehörige des Initiativkomitees auf diesen notwendigen «Paradigmenwechsel im Schweizer Bürgerrecht» hin, um die Schweizer Demokratie diverser und repräsentativer zu gestalten. So habe rund ein Viertel der Einwohnenden keinen Schweizer Pass und die Einbürgerungsverfahren seien heute oft langwierig und willkürlich. Das Initiativkomitee hat bis am 23. November 2024 Zeit, die notwendigen Unterschriften für sein Anliegen zu sammeln.

Demokratie-Initiative

Im Gegensatz zu ihrer Schwesterkommission erkannte die SPK-SR im Januar 2023 mehrheitlich immer noch keine Notwendigkeit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einbürgerung von Personen der dritten Generation anzupassen. Die entsprechende Änderung des Bürgerrechtsgesetzes sei erst 2018 in Kraft getreten, weshalb noch keine verlässlichen Erfahrungswerte vorlägen und es für eine erneute Änderung noch zu früh sei. Mit 8 zu 4 Stimmen beantragte sie ihrem Rat daher, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission keine Folge zu geben. Berichterstatter Marco Chiesa (svp, TI) wies im Ständeratsplenum auch auf eine zur Erfüllung des Postulats 22.3397 in Auftrag gegebene Studie hin, deren Ergebnisse abgewartet werden sollten. Eine Minderheit Mazzone (gp, GE) beantragte Folgegeben, unterlag im Ständerat aber deutlich. Mit 28 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen erledigte die Kantonskammer die parlamentarische Initiative in der Frühjahrssession 2023.

Für eine wirklich erleichterte Einbürgerung der dritten Generation (Pa.Iv. 22.404)

Der Nationalrat sprach sich in der Frühjahrssession 2023 dagegen aus, Kindern und Jugendlichen die Einbürgerung ohne Niederlassungsbewilligung zu ermöglichen. Mit 107 zu 87 Stimmen bei 2 Enthaltungen gab er einer parlamentarischen Initiative Töngi (gp, LU) mit ebendiesem Anliegen keine Folge. Der Initiant kritisierte, dass Kinder heute «quasi in der Sippenhaftung ihrer Eltern» stünden, weil ihr Aufenthaltsstatus von jenem der Eltern abhängt. Dafür seien sie nicht selbst verantwortlich, argumentierte auch die Minderheit der SPK-NR, die die Initiative unterstützte; dennoch hätten sie aufgrund ihres Aufenthaltsstatus etwa auf dem Lehrstellenmarkt schlechtere Chancen, obwohl sie hier die Schule besuchten und alle Integrationskriterien erfüllten. Kurt Fluri (fdp, SO) führte für die Kommissionsmehrheit erfolgreich die Einheit der Familie ins Feld: So könnte eine Familie beispielsweise nicht weggewiesen werden, wenn die Kinder Schweizer Staatsbürgerinnen und -bürger sind, die Eltern aber nicht.

Kindern und Jugendlichen die Einbürgerung ohne Niederlassungsbewilligung ermöglichen (Pa.Iv. 22.419)

Auch nachdem sich ihre Schwesterkommission dagegen ausgesprochen hatte, wollte die SPK-NR im Oktober 2022 mehrheitlich an ihrer parlamentarischen Initiative «Für eine wirklich erleichterte Einbürgerung der dritten Generation» festhalten. Dass die Bedingungen zu restriktiv und die Verwaltungshürden zu hoch seien, zeige sich darin, dass seit deren Einführung relativ wenige Angehörige der dritten Ausländergeneration von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch gemacht hätten. Insbesondere der verlangte Ausbildungsnachweis und die Alterslimite von 25 Jahren müssten diskutiert werden; ein gesetzgeberisches Tätigwerden der Kommission sei daher gerechtfertigt. Eine Minderheit vertrat indes die Ansicht, dass die Einbürgerungskriterien nicht gelockert werden sollten, und lehnte die Initiative ab. Das geringe Interesse belege nicht, dass die Hürden zu hoch seien; es gebe auch «ein Recht, sich nicht einbürgern zu lassen», argumentierte Minderheitsvertreterin Barbara Steinemann (svp, ZH). Der Nationalrat folgte in der Wintersession 2022 mit 117 zu 73 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Antrag der Kommissionsmehrheit und gab der Initiative Folge. Dagegen stimmten neben der geschlossenen SVP-Fraktion die Mehrheit der Mitte-Fraktion und zwei FDP-Vertreter.

Für eine wirklich erleichterte Einbürgerung der dritten Generation (Pa.Iv. 22.404)

In einem Bericht soll der Bundesrat der tiefen Einbürgerungszahl von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation auf den Grund gehen. So verlangte es der Ständerat mit der stillschweigenden Überweisung eines Postulats seiner SPK im Herbst 2022. Der Bundesrat hatte es in seiner Stellungnahme als erstrebenswert erachtet, die Datenlage hierzu zu verbessern, und das Postulat zur Annahme beantragt. Der Bericht soll unter anderem aufzeigen, welche Personen der zweiten Ausländergeneration ein Einbürgerungsgesuch stellen und welche nicht, aus welchen Gründen die Gesuchstellung erfolgt bzw. darauf verzichtet wird, aus welchen Gründen solche Gesuche abgelehnt werden, wie hoch die Kosten dafür sind und welche Unterschiede zwischen den Kantonen bestehen.

Der tiefen Einbürgerungszahl von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation auf den Grund gehen (Po. 22.3397)

Im Juni 2021 hatte Christian Dandrès (sp, GE) eine parlamentarische Initiative eingereicht mit dem Ziel, die Entschädigung für Opfer von Menschenhandel als Recht im OHG zu verankern. Er argumentierte damit, dass die Schweiz diesbezüglich seit der Ratifizierung des Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels eine Rechtslücke aufweise und die im Übereinkommen genannten Rechte der Opfer – unabhängig des Ortes der strafbaren Handlungen – gewähren müsste. Eine mit 13 zu 11 Stimmen zu Stande gekommene Mehrheit der RK-NR empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Für sie ging die vorgeschlagene Ausweitung der Schadenersatzforderung auch bei Taten im Ausland zu weit, weil die Entschädigung der Opfer primär Aufgabe der Täterinnen und Täter sei und die zusätzlich anfallenden Kosten für den Bund schwer bezifferbar wären. Zudem entstünde mit diesem Rechtsanspruch von Opfern von Menschenhandel eine Ungleichbehandlung gegenüber durch andere Straftaten Geschädigte, wie Sidney Kamerzin (mitte, VS) für die Kommission im Nationalrat ausführte. Eine starke Kommissionsminderheit empfahl hingegen, Dandrès Vorstoss Folge zu geben. Wie Minderheitensprecherin Tamara Funiciello (sp, BE) erläuterte, widerspreche die bestehende Rechtslücke aufgrund des oben genannten Übereinkommens sowie der Istanbul-Konvention internationalem Recht und müsse zwingend geschlossen werden. Die Ratsmehrheit folgte jedoch der Kommissionsmehrheit und gab der Initiative in der Sommersession 2022 mit 104 zu 86 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge. Dabei überstimmte eine bürgerliche Mehrheit der SVP-, FDP- und Mitte-Fraktionen die Fraktionen der Grünen, der GLP und der SP sowie vier Vertreterinnen und Vertreter der Mitte-Fraktion.

Entschädigung für Opfer von Menschenhandel (Pa. Iv. 21.468)

Mit einer im Juni 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative forderte die SP-Fraktion dahingehend eine Anpassung des Artikels 38 BV, dass nach einer bestimmten Anzahl legaler Aufenthaltsjahre in der Schweiz ein Anspruch auf das Schweizer Bürgerrecht bestehen soll. Diese erleichterte Einbürgerung solle zentral über den Bund abgewickelt werden. Die sozialdemokratische Fraktion sah in der Tatsache, dass rund ein Viertel der ständigen Schweizer Wohnbevölkerung nicht das Bürgerrecht habe, ein «zentrales demokratiepolitisches Problem». Die geforderte Anpassung würde den realen Lebensmittelpunkt der betroffenen Personen und deren Souveränität ins Zentrum stellen.
Die SPK-NR empfahl mit 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. In ihrem Bericht erklärte sie, dass die Einbürgerung basierend auf dem Integrationsgrad und der Bereitschaft, die mit dem Bürgerrecht verbundenen Pflichten zu übernehmen, bewertet werden sollte. Ein automatischer Rechtsanspruch auf das Bürgerrecht sei daher nicht angebracht.
In der Sommersession 2022 betonte Kommissionssprecher Marco Romano (mitte, TI) zudem im Plenum die Wichtigkeit des föderalen Einbürgerungssystems, welches einer zentralisierten Lösung widerspreche. Die Gemeinden könnten besser als der Bund einschätzen, inwiefern eine Person integriert sei und ob somit ein Recht auf Einbürgerung bestehe. Eine Mehrheit des Nationalrats folgte seiner Kommission und gab der parlamentarischen Initiative mit 123 zu 68 Stimmen keine Folge. Für die Initiative stimmte Links-Grün geschlossen mit der Unterstützung von Roland Fischer (glp, LU). Das Geschäft war somit erledigt.

Schweizerin oder Schweizer ist, wer hier lebt (Pa. Iv. 21.467)

In der Frühjahrssession 2022 beantragte die SPK-NR ihrem Rat mit 14 zu 11 Stimmen und analog zu ihrer Schwesterkommission, nicht auf die Verfassungs- und Gesetzesänderung zur Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren einzutreten. Sie vertrat die Ansicht, mit der Annahme der «Ehe für alle» in der Volksabstimmung vom 26. September 2021 sei das Anliegen der fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 13.418; Pa.Iv. 13.419; Pa.Iv. 13.420; Pa.Iv. 13.421 und Pa.Iv. 13.422) bereits erfüllt worden. Da mit der Ehe nun die erleichterte Einbürgerung für eingetragene Partnerinnen und Partner offenstehe, sei die Gleichstellung in diesem Bereich praktisch erreicht und von der Vorlage würde nur eine kleine Minderheit profitieren, die ihre eingetragene Partnerschaft trotz der Wahlfreiheit nicht in eine Ehe umwandeln möchte. Der Bundesrat unterstützte diese Argumentation. Eine Kommissionsminderheit argumentierte hingegen, es gäbe durchaus Gründe, die eingetragene Partnerschaft nicht in eine «Ehe im klassischen Sinne» umzuwandeln. Somit brauche es eine solche Regelung für die bestehenden eingetragenen Partnerschaften, um die Diskriminierung zu beseitigen. Mit 101 zu 83 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Nationalrat aber seiner Kommissionsmehrheit und trat nicht auf den Entwurf ein. Für Eintreten stimmten die Fraktionen der SP, Grünen und Grünliberalen sowie Einzelpersonen aus den Parteien der Mitte und der FDP. Diese potenzielle Verfassungs- und Gesetzesänderung ist somit definitiv erledigt.

Egalité du partenariat enregistré et du mariage devant la procédure de naturalisation

Mit einer im März 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative für die Einführung des Ius Soli verlangte Stefania Batou Prezioso (egsols, GE), dass jede Person, die in der Schweiz von ausländischen Eltern geboren wurde und auf dem Gebiet der Schweiz lebt, mit dem Erreichen der Volljährigkeit automatisch das Schweizer Bürgerrecht erhalten solle. Sie begründete ihre Forderung damit, dass die betroffenen Personen in der Schweiz sozialisiert worden seien, hier ein soziales Netzwerk und oft wenig Bezug zum Herkunftsland der Eltern hätten. Somit sei es angezeigt, mit der automatischen Einbürgerung diese Personen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anzuerkennen und ihnen entsprechende Rechte zuzugestehen.
Mit 17 zu 8 Stimmen empfahl die Mehrheit der SPK-NR ihrem Rat, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Wie Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) im Ratsplenum erläuterte, gehe die geforderte Erleichterung der Einbürgerung zu weit und die blosse Geburt und Aufenthaltsdauer in der Schweiz ohne weitere Überprüfungen genügten nicht als Beweis für eine vollständige Integration, welche den Erhalt des Bürgerrechts rechtfertigen würde. Zudem würde ein verlangter Automatismus der föderalen Aufgabenverteilung widersprechen, obwohl die Behörden auf Gemeindeebene die Integrationsleistung am besten beurteilen können. Überdies benötige die Einführung des Ius Soli eine Verfassungsänderung, wofür eine Volksinitiative besser geeignet sei, und es seien weitere Vorstösse zur erleichterten Einbürgerung der zweiten Generation von Ausländerinnen und Ausländer pendent, welche abgewartet werden sollten.
Der Nationalrat folgte im Juni 2022 seiner Kommission und gab der Initiative mit 112 zu 75 Stimmen bei 3 Enthaltungen keine Folge. Dabei überstimmte eine bürgerliche Mehrheit das geschlossen stimmende links-grüne Lager und 8 Mitglieder der GLP-Fraktion, aus der auch die drei Enthaltungen stammten. Das Geschäft war somit erledigt.

Einführung des Ius Soli (Pa. Iv. 21.428)

Mittels parlamentarischer Initiative verlangte SVP-Nationalrat Piero Marchesi (svp, TI) eine Änderung von Artikel 42 des Bürgerrechtsgesetzes, um Doppelbürgerinnen und -bürger, welche schwere Verbrechen gegen Leib und Leben begangen haben, die Schweizer Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Laut Initiant würde damit die Sicherheit in der Schweiz gestärkt. Die Mehrheit der SPK-NR sah in dieser Forderung allerdings eine unzulässige Vermischung von Bürgerrecht und Strafrecht, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung beantragte. Des Weiteren sei unklar, inwiefern die Initiative umgesetzt werden könne, da «schwere Verbrechen gegen Leib und Leben» in der aktuellen Gesetzgebung nicht definiert seien. Überdies könnte die Regelung durch einen Verzicht auf die Doppelbürgerschaft leicht umgangen werden.
Der Nationalrat folgte seiner Kommissionsmehrheit in der Sommersession 2022 grossmehrheitlich und gab der Initiative mit 128 zu 47 Stimmen bei 4 Enthaltungen keine Folge. Die SVP-Fraktion stimmte als einzige Fraktion dafür. Das Geschäft ist somit erledigt.

Entzug der Staatsbürgerschaft bei schweren Verbrechen (Pa.Iv. 21.408)

Bei Anhörungen im Herbst 2021 stellte die SPK-NR fest, dass die 2017 von der Stimmbevölkerung angenommene Einbürgerungsregelung für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation ihr Ziel nicht erreicht habe, nämlich die Einbürgerung für jene Personen wirklich zu erleichtern. Verschiedene Hürden erschwerten den Zugang zum erleichterten Verfahren, weshalb die Kommission im Januar 2022 mit 14 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung eine parlamentarische Initiative beschloss, um den Zugang zu erleichtern und unnötige administrative Hürden zu beseitigen. Ihre Schwesterkommission lehnte die parlamentarische Initiative im Mai 2022 jedoch mit 5 zu 4 Stimmen ab. Vier Jahre nach Inkrafttreten sei es zu früh für eine Revision, argumentierte sie. Ausserdem müsste mehr über die Gründe bekannt sein, weshalb Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation auf ein Einbürgerungsgesuch verzichten, merkte die SPK-SR weiter an.

Für eine wirklich erleichterte Einbürgerung der dritten Generation (Pa.Iv. 22.404)

Mit der Annahme der «Ehe für alle» in der Volksabstimmung vom 26. September 2021 wurde der institutionellen und rechtlichen Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren der Weg bereitet: Ab 1. Juli 2022 können auch gleichgeschlechtliche Paare zivil heiraten. Infolgedessen können sich ab dann auch gleichgeschlechtliche, ausländische Ehepartnerinnen und Ehepartner von Schweizerinnen und Schweizern erleichtert einbürgern lassen. In der Frühjahrssession 2022 beantragte die Mehrheit der SPK-SR ihrem Rat deshalb, nicht auf die Verfassungs- und Gesetzesänderung zur Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren einzutreten. Sie vertrat die Ansicht, das Anliegen der fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 13.418, 13.419, 13.420, 13.421 und 13.422) werde mit Inkrafttreten der «Ehe für alle» erfüllt. Gleichgeschlechtliche Paare könnten ihre eingetragene Partnerschaft jederzeit in eine Ehe umwandeln lassen und so das Recht auf erleichterte Einbürgerung des ausländischen Partners erlangen, weshalb eine spezielle Regelung für eingetragene Partnerschaften hinfällig sei, so die Begründung. Der Bundesrat unterstützte diese Argumentation ebenfalls. Die Kommissionsminderheit argumentierte hingegen, niemand könne gezwungen werden, die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Für die bestehenden eingetragenen Partnerschaften brauche es eine solche Regelung, um die Diskriminierung zu beseitigen. Mit 29 zu 12 Stimmen folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und trat nicht auf die Vorlagen ein.

Egalité du partenariat enregistré et du mariage devant la procédure de naturalisation

Ist die Bedingung des Schweizer Bürgerrechts zur Ausübung des Berufs der Zivilstandsbeamtin oder des Zivilstandsbeamten beizubehalten? Eine Prüfung dieser Frage forderte die Grüne Nationalrätin Marionna Schlatter (gp, ZH) mittels eines Postulats. Die Voraussetzung, dass Zivilstandsbeamte zwingend das Schweizer Bürgerrecht haben müssten, sei nicht mehr zeitgemäss und stelle eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt dar. Ein Migrationshintergrund zusammen mit einer sehr guten Integration könne für die Ausübung dieser Tätigkeit äusserst hilfreich und bereichernd sein, so die Postulantin. Justizministerin Karin Keller-Sutter hielt dieser Argumentation entgegen, dass die Aufgaben von Zivilstandsbeamten für den Rechtsstaat tragend seien. Der Bundesrat erachte es deshalb als von grossem öffentlichem Interesse, dass die Zivilstandsbeamtinnen und -beamten mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in der Schweiz vertraut seien. Entgegen der Empfehlung des Bundesrats überwies der Nationalrat jedoch das Postulat in der Frühjahrssession 2022 mit 110 zu 80 Stimmen.

Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt. Das Schweizer Bürgerrecht als Bedingung für Zivilstandsbeamtinnen und -beamte ist nicht mehr zeitgemäss (Po. 20.3066)

Mittels parlamentarischer Initiative forderte SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG), dass bei Einbürgerungen künftig keine Doppelbürgerschaften mehr möglich sind. Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen wolle, müsse «den Entscheid treffen, in welchem Land er seinen Lebensmittelpunkt haben will, und bereit sein, die ausländische Staatsbürgerschaft aufzugeben», begründete der Initiant sein Anliegen. Die Doppelbürgerschaft bringe laut Reimann Probleme mit sich, so etwa die Ungleichbehandlung von Personen mit einfacher und mehrfacher Staatsbürgerschaft, Loyalitätskonflikte und Schwierigkeiten beim Schutz von Doppelbürgern im Ausland. Durch den expliziten Entscheid für die Schweizer Staatsbürgerschaft würde hingegen die Bereitschaft zur Integration zum Ausdruck gebracht und dadurch die erfolgreiche Integration gefördert. Im Namen der RK-NR widersprach Greta Gysin (gp, TI) diesen Argumenten in der Wintersession 2021: Die Probleme, welche durch die parlamentarische Initiative gelöst werden sollten, seien kein Resultat der Doppelbürgerschaft, sondern gingen vielmehr auf den Grad der Integration betroffener Personen zurück. Zudem sei nicht klar, ob das Verbot von Doppelbürgerschaften grossflächig zur Anwendung kommen oder nur für Personen im Einbürgerungsprozess gelten solle. Kurt Fluri (fdp, SO) ergänzte für die Kommission, dass Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern weder pauschalisierend unterstellt werden solle, gegenüber der Schweiz nicht loyal zu sein, noch der Eindruck erweckt werden dürfe, dass eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer einer anderen Klasse angehörten. Aus diesen Gründen beantragte die Kommissionsmehrheit, der Initiative keine Folge zu geben. Ein SVP-Minderheitsantrag auf Folgegeben fand ausschliesslich in der SVP-Fraktion Unterstützung. Mit 136 zu 49 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus.

Optionsmodell statt automatisches Doppelbürgerrecht (Pa.Iv. 20.501)

Im März 2021 forderte der SP-Ständerat Paul Rechsteiner (SG) mittels Motion das Schweizer Bürgerrecht für Menschen, die in der Schweiz geboren wurden (Ius Soli). Die Schweiz mit ihrer langen demokratischen Tradition sei gegenwärtig nur eine «Dreivierteldemokratie», da jede vierte Person, welche in der Schweiz lebe, nicht über das Schweizer Bürgerrecht verfüge. Darunter befänden sich auch viele, welche seit ihrer Geburt in der Schweiz lebten, hier aufgewachsen seien und das Land als ihre Heimat betrachteten. Bis zum Erhalt des Bürgerrechts stünden diesen voll integrierten Personen faktisch viele Hürden im Weg: So etwa Wohnortswechsel oder eine Sozialhilfeabhängigkeit der Eltern, aber auch das komplexe dreistufige Einbürgerungsverfahren auf den föderalen Ebenen der Schweiz. Wer hier geboren worden und aufgewachsen sei, müsse unbedingt als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt werden und automatisch das Bürgerrecht erhalten, fasste der Motionär sein Anliegen im Ratsplenum in der Wintersession 2021 zusammen. Der Ständerat behandelte die Motion dabei zusammen mit einer Motion Mazzone (gp, GE; Mo. 21.3112), die ebenfalls eine Erleichterung der Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern zweiter Generation verlangte. Anders erachtete Ratskollegin Heidi Z'graggen (mitte, UR) die Sachlage: Beim schweizerischen Bürgerrecht handle es sich um eine historische Tradition, welche sehr stark in den föderalen Ebenen des Landes verankert sei. Die Einführung des aus den angelsächsischen historischen Einwanderungsstaaten stammenden Ius Soli würde deshalb eine «fundamentale Abkehr von der historischen Tradition des schweizerischen Bürgerrechts» bedeuten. Nicht zuletzt öffne eine solche Änderung des Bürgerrechtsprinzips das Tor zur Umgehung von Migrationsbestimmungen, da eine Staatsbürgerschaft der Kinder ein «sehr starkes Argument für ein Aufenthaltsrecht der Eltern» darstelle. An der Diskussion im Plenum beteiligte sich auch Marco Chiesa (svp, TI), der die Einbürgerung nicht als ersten Schritt des Integrationsprozesses, sondern als Abschluss davon verstand. Der Ständerat lehnte die Motion in der Folge mit 29 zu 13 Stimmen ab.

Bürgerrecht für Menschen, die in der Schweiz geboren wurden (Ius Soli; Mo. 21.3111)

Mittels Motion forderte Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) eine Änderung der BV, sodass neben ausländischen Personen der dritten Generation auch Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation erleichtert eingebürgert werden können. Die zweite Generation habe aufgrund der Geburt oder dem Aufwachsen in der Schweiz eine Beziehung sowie ein Zugehörigkeitsgefühl zur Schweiz entwickelt und erfülle damit die selben Voraussetzungen wie die Menschen der dritten Generation. In seiner Stellungnahme beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation gemäss BV bedeutete, dass diese Kompetenz neu auf Bundesebene angesiedelt würde, und damit ein weiterer Bedeutungsverlust für das Kantons- und Gemeindebürgerrecht. Die unteren Staatsebenen könnten in diesem Fall nur noch über die Einbürgerung der ersten Generation verfügen, so der Bundesrat. Infolge eines Ordnungsantrags von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) in der Wintersession 2021 wurde der Vorstoss der SPK-SR zur Vorberatung zugewiesen.

Am 17. März 2023 wurde die Motion schliesslich abgeschrieben, da die Zweijahresfrist ohne abschliessende Behandlung in Rat verstrichen war.

Die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation erleichtern (Mo. 21.3112)

In der Sondersession im Mai 2021 nahm der Nationalrat ein Postulat der SPK-NR zur Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren mit 122 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung an. Darin hatte die Kommission eine Evaluation der konkreten Umsetzung der Protokollführung bei Einbürgerungsgesprächen sowie die Erarbeitung von Lösungen zusammen mit betroffenen Kantonen gefordert. Das Postulat ging auf eine 2018 eingereichte und später abgelehnte parlamentarische Initiative Wermuth (sp, AG; Pa.Iv 18.478) zurück, welche die Einführung einer Protokollierungspflicht gefordert hatte. Das nun zur Beratung stehende Postulat habe ihr gegenüber den Vorteil, dass es nicht in kantonale Kompetenzen eingreife, sondern die Umsetzung des Bundesgesetzes durch die Kantone evaluiere und mit diesen das Gespräch suche, erklärte Wermuth als Kommissionssprecher im Ratsplenum. Wie Damien Cottier (fdp, NE) ebenfalls im Namen der Kommission anmerkte, müssten negative Entscheide bei Einbürgerungsgesuchen ausreichend begründet werden. Dies werde durch eine ungenügende oder fehlende Protokollierung, insbesondere in Fällen, bei welchen die Entscheidungsgrundlage im Gespräch liege, deutlich erschwert. In diesen Fällen könne folglich die «ordnungsgemässe Anwendung des Bundesgesetzes und die Achtung des Rechts der Einbürgerungsbewerber auf ein faires Verfahren» nicht gewährleistet werden. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen. Das bestehende Akteneinsichtsrecht für die betroffenen Personen bedinge bereits, dass ein umfassendes Einbürgerungsdossier mit allen entscheidrelevanten Informationen, so auch dem Inhalt des Einbürgerungsgesprächs, geführt werden müsse. Zudem lege sie im Bereich der ordentlichen Einbürgerung grossen Wert auf die kantonale Autonomie, betonte die Regierung.

Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren (Po. 20.4344)

Mit einer 2018 eingereichten parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) die gesetzliche Verankerung einer Protokollpflicht bei Einbürgerungsverfahren. Die standardmässige Protokollierung der Gespräche könnte durch unterschiedliche Interpretationen des Gesprächsablaufs verursachte Missverständnisse vermeiden und beide Seiten vor unzutreffenden Vorwürfen schützen, so die Begründung. Die Veröffentlichung der Protokolle sollte grundsätzlich den Kantonen und Gemeinden überlassen werden, dürfte aber nur mit Zustimmung des Einbürgerungskandidaten bzw. der -kandidatin erfolgen.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates gab der Initiative im Januar 2020 mit knapper Mehrheit Folge. Anderer Ansicht war im Juni desselben Jahres ihre Schwesterkommission, die sich mit 7 zu 4 Stimmen gegen die Initiative aussprach. Sie erachtete es nicht als Sache des Bundes, den Kantonen und Gemeinden eine solche Vorschrift zu machen. Daraufhin kam die SPK-NR in ihrer erneuten Beratung zum Schluss, dass es verfrüht wäre, eine Protokollpflicht ins Gesetz zu schreiben. Stattdessen reichte sie im November 2020 ein Postulat (Po. 20.4344) ein, demzufolge geprüft werden soll, wie die Nachvollziehbarkeit der Einbürgerungsgespräche für alle Beteiligten sichergestellt werden kann. Wie ihm seine SPK entsprechend beantragte, gab der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 der parlamentarischen Initiative Wermuth keine Folge.

Recht auf nachvollziehbare Einbürgerungsverfahren. Protokollpflicht (Pa.Iv. 18.478)

Die Voraussetzungen für eine erleichterte Einbürgerung seien im Bürgerrechtsgesetz sowie in der dazugehörigen Bürgerrechtsverordnung, die nach der Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration in revidierter Form in Kraft getreten sind, hinreichend definiert, befand sowohl die Mehrheit der SPK-NR als auch des Nationalratsplenums. Demnach gab die grosse Kammer im Sommer 2019 einer parlamentarischen Initiative Hess (svp, BE) keine Folge, die vier Mindestkriterien für die erleichterte Einbürgerung (keine rechtskräftige Verurteilung zu einer hohen Freiheitsstrafe, kein Sozialhilfebezug, Nachweis über gute Sprachkenntnisse sowie über ausreichende Kenntnisse des Staatsaufbaus und seiner Geschichte) im Bürgerrechtsgesetz verankern wollte. Die parlamentarische Initiative war noch vor der Revision des Bürgerrechtsgesetzes eingereicht worden. Folge geben wollte ihr allein die geschlossene SVP-Fraktion, die die Ansicht vertrat, der Bund müsse angehalten werden, die materiellen Integrationsvoraussetzungen bei erleichterten Einbürgerungen konsequenter zu überprüfen.

Klare Integrationsbestimmungen bei erleichterten Einbürgerungen (Pa.Iv. 17.503)