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Jahresrückblick 2024: Soziale Gruppen

Wie bereits 2022 und 2023 trieben im Themenbereich «Soziale Gruppen» auch im Jahr 2024 Diskussionen im Asylbereich Politik und Medien um (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Jahren stiessen politische Vorstösse zur Verschärfung der Bestimmungen im Parlament indes vermehrt auf Unterstützung. Das Parlament beschloss bei der Beratung des Voranschlags 2025 zudem Kürzungen beim Betrieb der Bundesasylzentren sowie bei der Sozialhilfe für Asylsuchende. Begründet wurde dies mit den nach wie vor zwar hohen, aber im Vergleich zu 2023 rückläufigen Asylgesuchszahlen. Der Bundesrat erleichterte im Berichtsjahr durch eine Verordnungsänderung den Zugang zur beruflichen Ausbildung für abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers und verordnete Massnahmen zur Stärkung der Arbeitsmarktintegration von Personen mit Schutzstatus S, womit auch auf diesem Weg eine Senkung der Ausgaben für die Sozialhilfe bezweckt wurde. Die Verbesserung der Erwerbsintegration im Asylbereich wurde auch vom Expertisebericht zur Entlastung des Bundeshaushalts empfohlen. National- und Ständerat diskutierten im Berichtsjahr ausführlich über eine Änderung des Asylgesetzes betreffend Sicherheit und Betrieb der Zentren des Bundes, die als Reaktion auf die 2020 und 2021 medial begleiteten Gewaltvorfälle in Bundesasylzentren geschaffen worden war (vgl. APS-Analyse der Wortmeldungen). Die Differenzbereinigung zum Geschäft wird 2025 in Angriff genommen. Schliesslich lancierte die SVP im Mai 2024 die Grenzschutzinitiative, die unter anderem die Einführung eines Kontingents für bewilligte Asylgesuche verlangt.

2024 kam mit der Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!» eine andere Initiative aus der Feder der SVP zustande, die den Bevölkerungszuwachs mittels Steuerung der Migration stärker kontrollieren will; insbesondere mit Massnahmen im Bereich Asyl und Familiennachzug. Eine Erleichterung des Familiennachzugs durch eine Beseitigung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung bezweckt im Gegenteil dazu ein Kommissionsentwurf in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative, dem jedoch ein Entscheid auf Nichteintreten droht. Die Schlussabstimmungen passierte indes ein in Auftrag einer anderen parlamentarischen Initiative ausgearbeiteter Entwurf im Bereich der Migration, der durch entsprechende ausländerrechtliche Bestimmungen Drittstaatenangehörige besser vor häuslicher Gewalt schützen will.

Eine Verstärkung des Schutzes vor Gewalt wurde auch für andere Personengruppen angestrebt: In der Frühjahrssession überwies der Ständerat eine Motion an den Bundesrat, die ein Impulsprogramm zur Prävention von Gewalt im Alter mit Fokus auf Betreuung fordert. Darüber hinaus will der Bundesrat in Erfüllung einer Motion auch Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt schützen. Im September 2024 präsentierte er dazu seine Botschaft zur Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch. Zudem überwies der Nationalrat 2024 zwei Postulate, die Berichte über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in der Familie und in Institutionen für Kinder und Jugendliche ausserhalb der Kirche verlangt. Schliesslich sollen Aufrufe zu Hass und Gewalt aufgrund des Geschlechts künftig unter Strafe gestellt werden. Nach dem Nationalrat gab auch der Ständerat sechs gleichlautenden parlamentarischen Initiativen mit dieser Forderung Folge.

Gewaltvorfälle wurden im Zusammenhang mit der LGBTQIA+-Gemeinschaft thematisiert. Im Mai berichteten die Medien über eine starke Zunahme von Hassdelikten gegenüber Angehörigen dieser Personengruppe. Für überdurchschnittliche Medienaufmerksamkeit für LGBTQIA+-Personen sorgte im Mai indes Nemo mit dem Sieg am Eurovision Song Contest und die daraufhin formulierte politische Forderung zur Einführung einer dritten Geschlechtskategorie im Personenstandsregister (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Im Bereich der Familienpolitik verabschiedete das Parlament ohne viel Aufhebens aber entgegen dem Willen des Bundesrats eine Änderung des Familienzulagengesetzes zur Einführung des vollen Lastenausgleichs in den Kantonen. Deutlich stärker beschäftigte sich die Politik innerhalb und ausserhalb des Parlaments hingegen mit der Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung (vgl. APS-Analyse der Wortmeldungen). Nachdem sich der Bundesrat aufgrund der angespannte Lage der Bundesfinanzen und mit Verweis auf die Zuständigkeit der Kantone bereits im Vorjahr gegen eine Kostenbeteiligung des Bundes an den Betreuungskosten von Eltern gestellt hatte, gab die ständerätliche Kommission im März ein Alternativmodell in die Vernehmlassung. Besagtes Modell, das insbesondere die Arbeitgebenden in die Finanzierungspflicht nehmen will, stiess in der Wintersession im Ständerat trotz gemischten Vernehmlassungsergebnissen auf deutliche Zustimmung. Anders als der Nationalrat beschloss die Kantonskammer bei der Beratung des Geschäfts zudem, den Bund ebenfalls von der finanziellen Beteiligung an der Weiterentwicklung des ausserfamiliären Betreuungsangebots zu befreien. Diese Vorlage wollte der Ständerat überdies zum indirekten Gegenvorschlag zur im Vorjahr eingereichten Kita-Initiative machen. Zur Förderung der Gleichstellung in der Arbeitswelt befasste sich der Nationalrat im Berichtsjahr ausführlich mit einer Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung.

Wie bereits im Vorjahr erhielten Forderungen von Menschen mit Behinderungen auch im Berichtsjahr viel Beachtung. Dazu trug insbesondere die Inklusions-Initiative bei, welche die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen fordert und die im September eingereicht wurde. Ende Jahr gab der Bundesrat bekannt, einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative ausarbeiten zu wollen. Der Nationalrat überwies im Berichtsjahr zudem ein Kommissionspostulat, das vom Bundesrat die Überprüfung von möglichen Massnahmen zur Verbesserung der politischen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verlangt, womit das Parlament eine aus der Behindertensession 2023 resultierte Forderung aufnahm. Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UNO-Behindertenrechtskonvention überwies der Nationalrat im Mai ferner ein Postulat, das eine Aufdeckung von Widersprüchen zwischen den geltenden Schweizer Rechtsgrundlagen und der besagten Konvention fordert. Denn solche gibt es gemäss den Interessenorganisationen für Menschen mit Behinderungen noch einige, die sich auch nicht mit der Ende 2023 in die Vernehmlassung geschickten Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes auflösen liessen.

Jahresrückblick 2024: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2024

Nach Vorliegen der Vernehmlassungsergebnisse beschloss die WBK-SR einstimmig bei zwei Enthaltungen, ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung demjenigen des Nationalrats vorzuziehen. Sie hielt somit an ihrem Grundsatz fest, dass die Kantone die Unterstützung der familienexternen Betreuungskosten mit einer ins Familienzulagengesetz (FamZG) integrierten Betreuungszulage organisieren sollen und dass sich der Bund – im Unterschied zur nationalrätlichen Vorlage – nicht an der Finanzierung der Betreuungskosten beteiligen soll. Gemäss der Kommission sollen die Kantone grundsätzlich die Arbeitgebenden in die Finanzierungspflicht nehmen. Die Kantone könnten jedoch auch beschliessen, dass Arbeitgebende und Arbeitnehmende die Kosten der Betreuungszulage paritätisch zu tragen hätten. Hingegen plante die Kommissionsmehrheit weiterhin eine finanzielle Beteiligung des Bundes im Rahmen der Programmvereinbarungen, womit der Bund einen Beitrag zur Weiterentwicklung der institutionellen familienergänzenden Kinderbetreuung sowie zur Förderung der Politik der frühen Kindheit leisten würde. Die neue Lösung soll das bereits mehrfach verlängerte und im Bundesgesetzes über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung geregelte Impulsprogramm des Bundes ersetzen.

Im Unterschied zur Vernehmlassungsvorlage präzisierte die Kommission in ihrem definitiven Entwurf vom November 2024, dass die Betreuungszulage für Kinder bis zum Ende ihres achten Altersjahres zu entrichten sei, um die gesamte Basisstufe abzudecken. Trotz der leicht erweiterten Bezugsspanne – die Vernehmlassungsvorlage hatte eine Unterstützung bis zum Ende des siebten Altersjahres vorgesehen – rechnete die Kommission im Unterschied zu ihrer Vernehmlassungsvorlage (CHF 637 Mio./Jahr) nunmehr mit etwas geringeren Kosten von CHF 601 Mio. pro Jahr. Grund dafür war, dass in der Vernehmlassung noch davon ausgegangen worden war, dass die Betreuungszulagen auch an in der Schweiz lebende Eltern ausgerichtet werden, wenn diese ihre Kinder im Ausland betreuen lassen, wie dies insbesondere bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern der Fall sein könnte. Der finale Kommissionsentwurf sah jedoch ausschliesslich die Verrichtung von Betreuungszulagen an Familien vor, die ihre Kinder in einer von einem Kanton anerkannten Institution in der Schweiz betreuen lassen. Damit nahm die Kommission gemäss eigenen Aussagen «bewusst einen möglichen Konflikt mit dem Freizügigkeitsrecht in Kauf», ergänzte jedoch, dass die Frage auch innerhalb der EU umstritten sei. Nicht zuletzt beschloss die WBK-SR einstimmig, ihren Entwurf der Kita-Initiative als indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Das Volksbegehren verlangt unter anderem, dass sich der Bund zu zwei Dritteln an den anfallenden familienergänzenden Kinderbetreuungskosten der Eltern beteiligt.

Die Einigkeit, welche die Kommission mit der Verabschiedung des Entwurfs mit 7 zu 1 Stimmen ohne Enthaltung demonstrierte, mag über die Umstrittenheit gewisser Punkte hinwegtäuschen. In der Wintersession 2024 beugte sich der Ständerat über die Vorlage, der neben einem Nichteintretensantrag auch diverse Minderheitsanträge zu substantiellen Punkten der Vorlage zu besprechen hatte. Jakob Stark (svp, TG) begründete seine Minderheit auf Nichteintreten mit der hohen finanziellen Belastung für die Wirtschaft und vertrat mit Verweis auf die Argumentation des Bundes zum 2013 an der Urne gescheiterten Familienartikel die Ansicht, dass eine verfassungsmässige Grundlage zur Verstetigung der finanziellen Unterstützung durch den Bund fehle. Kommissionssprecher Benedikt Würth (mitte, SG) widersprach dieser Rechtsauffassung im Falle einer über das FamZG entrichteten Betreuungszulage und wies darauf hin, dass das auf 14 Jahre befristete Instrument der Programmvereinbarungen gemäss herrschender Lehre verfassungsrechtlich vertretbar sei. Der Ständerat beschloss Eintreten mit 27 zu 15 Stimmen (1 Enthaltung). Während sich die Mitglieder der SP, Grünen, GLP und mit vereinzelten Ausnahmen auch diejenigen der Mitte für Eintreten aussprachen, stellten sich die Mitglieder der FDP und SVP jeweils fast geschlossen dagegen.

Am ersten Tag der Detailberatung beschäftigte sich der Ständerat intensiv mit den Programmvereinbarungen. Gemäss Kommissionsmehrheit soll der Bund mit den Programmvereinbarungen an bestimmte Ziele geknüpfte Finanzhilfen zur Weiterentwicklung der familienergänzenden Kinderbetreuung sowie zur Politik der frühen Förderung gewähren, wobei ihm in einem ersten Schritt Mittel aus einem vierjährigen Verpflichtungskredit in der Höhe von CHF 128 Mio. zur Verfügung stehen würden. Diese Mittel könnte er für die Schliessung von Angebotslücken in der institutionellen Kinderbetreuung für Kinder mit und ohne Behinderungen sowie für die Unterstützung der Kantone im Rahmen der Weiterentwicklung ihrer Politik der frühen Kindheit, etwa zur Förderung der Chancengerechtigkeit, sprechen. Die nationalrätliche Kommission hatte in ihrem Entwurf für denselben Zeitraum einen maximalen Verpflichtungskredit von CHF 224 Mio. vorgesehen. Die Höhe des letzten vierjährigen Verpflichtungskredites des Bundes zur Schaffung von familienergänzenden Betreuungsplätzen (Februar 2019 bis Januar 2023) belief sich auf CHF 124.5 Mio. Zuvor hatte sich das Parlament zusätzlich für eine fünfjährige Dauer ab Juni 2017 für weitere Finanzhilfen zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung in der Höhe von CHF 96.8 Mio. ausgesprochen. Dem Ständerat lag ein linker Minderheitsantrag von Maya Graf (gp, BL) vor, wonach der Bund finanzielle Beiträge auch für Massnahmen zur Verbesserung der Qualität des Kinderbetreuungsangebots einsetzen kann, wie dies der Nationalrat bereits gefordert hatte. Doch die Gunst des Ständerates stand anders: Nicht nur stellte er sich gegen den Minderheitsantrag Graf, sondern strich auf Anraten einer weiteren Minderheit Stark auch die Unterstützung der Politik der frühen Kindheit. Gegen Schluss der Beratung lag dem Rat eine weitere Minderheit Stark vor, die gänzlich von Programmvereinbarungen absehen wollte und darum beantragte, nicht auf den Bundesbeschluss und den dafür vorgesehenen Verpflichtungskredit einzutreten. Der Minderheitensprecher argumentierte, dass die Hoheit bei den Kantonen liegen sollte, damit diese auf ihre eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Angebote vorschlagen und organisieren können. Diese Argumentation wurde von der zuständigen Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider im Plenum gestützt und die Regierung sprach sich für die Minderheit Stark aus. Mit Stichentscheid des Präsidenten Andrea Caroni (fdp, AR) strich der Ständerat die Programmvereinbarungen, indem er nicht auf den Bundesbeschluss, der den entsprechenden Verpflichtungskredit beinhaltete, eintrat. Neben den links-grünen Parteien hatten sich zwei Ständeratsmitglieder der FDP sowie sechs Mitglieder der Mitte, darunter fast ausschliesslich Frauen, vergeblich für die Beibehaltung der Programmvereinbarungen ausgesprochen.

Am zweiten Behandlungstag diskutierte der Ständerat unter anderem über einen Antrag Gmür-Schönenberger (mitte, LU), die sich für eine Mischfinanzierung bei der Betreuungszulage aussprach. Anstelle des von der WBK-SR präferierten Modells einer vollständigen Finanzierung durch die Arbeitgebenden, was gemäss Zusatzbericht der Kommission eine Erhöhung des Beitragssatzes für Arbeitgebende um 0.17 Prozentpunkte bedingen würde, sah dieser Antrag vor, dass der Bund einen Viertel der Kosten der Betreuungszulage, aber maximal CHF 200 Mio. pro Jahr zu übernehmen hätte. Die verbleibenden Kosten sollten durch weitere, von den Kantonen zu bestimmende Beiträge gedeckt werden, wobei der Antrag neben Beiträgen von Arbeitgebenden, Arbeitnehmenden und Selbständigerwerbenden auch explizit Beiträge der Kantone vorsah. Die Minderheitensprecherin begründete ihren Antrag unter anderem damit, dass der Bund sein finanzielles Engagement von den Programmvereinbarungen nun auf die Betreuungszulagen verlagern könne, sowie mit dem Wunsch, der Kita-Initiative einen mehrheitsfähigen und griffigen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Dieser Antrag vermochte jedoch über das links-grüne Lager hinaus nicht ausreichend zu überzeugen, sodass er vom Ständerat mit 24 zu 15 Stimmen abgelehnt wurde. Auch weitere Minderheitsanträge lehnte der Ständerat ab. Darunter befand sich erstens ein Minderheitsantrag Crevoisier Crelier (sp, JU), getragen von Ständerätinnen der SP, Grünen und Mitte, der die Betreuungszulagen für Kinder bis zum Ende des 12. Altersjahres entrichten wollte. Zweitens verlangte eine links-grüne Minderheit Crevoisier Crelier vergeblich, die Betreuungszulage für Kleinkinder unter 18 Monaten zu erhöhen, da die Betreuungskosten für diese in den Institutionen höher ausfielen als diejenigen für ältere Kinder. Schliesslich wurde auch ein Minderheitsantrag Stark deutlich abgelehnt, der auch denjenigen Eltern eine Betreuungszulage – insgesamt in der Höhe der Hälfte der institutionellen Betreuungszulage – gewähren wollte, die ihre Kinder durch Drittpersonen, etwa Grosseltern, betreuen lassen.

Das vom Ständerat präferierte Modell zur Überführung der Anstossfinanzierung des Bundes in eine zeitgemässe Lösung sah demnach zugunsten der kantonalen Eigenständigkeit komplett von einer weiterführenden finanziellen Unterstützung durch den Bund ab. Damit folgte der Rat auch den Empfehlungen der Expertengruppe zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung, die dem Bund im Vorjahr empfohlen hatte, auf Leistungen zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung zu verzichten. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den so abgeänderten Entwurf mit 27 zu 14 Stimmen an. Opponierende Stimmen fanden sich nach wie vor bei Mitgliedern der FDP und der SVP.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)

Mitte Oktober 2024 veröffentlichte die WBK-SR den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung zum von ihr erarbeiteten Alternativmodell zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Im Unterschied zum ersten, von der WBK-NR in Erfüllung einer eigenen parlamentarischen Initiative ausgearbeiteten Entwurf, der vom Bund eine Kostenbeteiligung an den familienexternen Kinderbetreuungskosten der Eltern forderte, sah das Alternativmodell die Einführung einer Betreuungszulage im Rahmen des Familienzulagengesetzes vor. Die Betreuungszulage würde somit über Beiträge der Arbeitgebenden und allenfalls auch der Arbeitnehmenden finanziert. Mit Ausnahme der Förderbeiträge für die Programmvereinbarungen wären die Ausgaben für den Bund somit haushaltsneutral. Im Unterschied zum Entwurf der WBK-NR verzichtete die WBK-SR in ihrem Entwurf zudem darauf, Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der externen Kinderbetreuung in die Programmvereinbarungen aufzunehmen, da solche Massnahmen vorderhand in die Kompetenz der Kantone und Gemeinden fielen.
In der Vernehmlassung zum Alternativmodell äusserten sich neben 25 Kantonen und elf Parteien auch 20 Wirtschaftsverbände, über 50 Organisationen im Bereich der Kinderbetreuung und weitere interessierte Kreise, darunter insbesondere Frauen-, Kinder- und Familienorganisationen sowie Organisationen für Menschen mit Behinderungen. Der Ergebnisbericht zeigte ein deutlich gemischteres Bild der Reaktionen im Vergleich zum ersten, von der WBK-NR erarbeiteten Vernehmlassungsentwurf, welcher auf überwiegende Zustimmung gestossen war.

Von den Parteien stellten sich die EVP, die GLP sowie die Mitte (inklusive Mitte Frauen und Junge Mitte) im Grunde hinter den Entwurf, lehnten teilweise aber die vorgeschlagene Finanzierung ab. Die FDP und die SVP lehnten die Erarbeitung einer Vorlage zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Grundsatz ab – so auch den neuen Entwurf – während sich die FDP-Frauen, die Grünen, die SP und die SP Frauen explizit gegen das nun präsentierte Modell stellten, dem ursprünglichen Modell jedoch positiv gegenüberstanden. Trotz ihrer Unterstützung der Vorlage forderten die GLP und die Mitte Frauen ebenfalls eine Rückkehr zu einer Finanzierung durch den Bund. Während die GLP eine reine Bundesfinanzierung bevorzugte, sprach sich die Mitte für eine gemischte Finanzierung durch Arbeitnehmende, Arbeitgebende und die Kantone aus, während sich die SP und die SP Frauen gegenüber einer paritätischen Finanzierung durch Arbeitgebende und den Bund offen zeigten. Nicht zuletzt forderten die Grünen, die SP (inklusive Frauen) sowie die Mitte Frauen, den Geltungsbereich nicht auf Kinder bis zum Ende des 7. Lebensjahres zu beschränken, sondern bis zur Vollendung des 12. Jahres auszudehnen, da auch im Primarschulalter noch Betreuungsbedarf für die Kinder bestehe. Diese Forderung wurde auch von einem Grossteil der Interessenorganisationen eingebracht. Die Beschränkung der Betreuungszulage auf die institutionelle Betreuung hingegen wurde abgesehen von der SVP von den Parteien entweder nicht kommentiert oder gar explizit begrüsst.

Von den 25 Kantonen stellten sich deren 12 im Grunde hinter den von der zuständigen Kommission der Kantonskammer ausgearbeiteten Entwurf. Der Kanton Appenzell Ausserrhoden stand der Vorlage als dreizehnter Kanton zwar ebenfalls positiv gegenüber, betonte jedoch, dass demjenigen Modell Vorrang gegeben werden sollte, das politisch mehrheitsfähiger sei und dem Sinne der zugrunde liegenden parlamentarischen Initiative besser entspreche. Die verbleibenden 12 stellungnehmenden Kantone stellten sich gegen den neuen Entwurf, teilweise da sie das erste Modell bevorzugten. Das Modell mit Bundesbeteiligung hatten in der ersten Vernehmlassung zum Geschäft 23 von 26 stellungnehmende Kantonen unterstützt. Auch unter denjenigen Kantonen, die sich explizit zur Finanzierungsfrage äusserten, stellte sich lediglich eine Minderheit hinter die vorgeschlagene Finanzierung über die Arbeitgebendenbeiträge (BS, GL, NW, SH und ZH). Weitere sieben Kantone präferierten eine Mischfinanzierung durch zusätzliche Bundesbeteiligung und forderten in einzelnen Fällen auch dazu auf, die Arbeitnehmenden in die Pflicht zu nehmen. Sechs weitere Kantone sahen ausschliesslich den Bund in der Finanzierungspflicht (AG, GE, NE, SO, TI und VD). Mehrheitlich positiv äusserten sich die Kantone hingegen zur Möglichkeit, die Betreuungszulage über die Familienausgleichskassen zu entrichten; der mutmassliche administrative Aufwand wurde als vertretbar eingeschätzt.

Unter den Wirtschaftsverbänden fand sich kaum Unterstützung für das vorgelegte Alternativmodell, das in erster Linie durch deren Mitglieder finanziert würde. Eine solche Finanzierung wurde von Arbeitgebendenverbänden klar abgelehnt, so auch vom Schweizerischen Arbeitgeberverband, der die Vorlage ansonsten im Grunde unterstützte. Zehn Wirtschaftsverbände, darunter economiesuisse, lehnten die Vorlage grundsätzlich ab. Nicht zuletzt brachten einige dieser Akteure vor, dass sie die Kantone und Gemeinden in der Finanzierungspflicht sehen. Acht weitere Verbände, unter anderem der SGV, SGB, Travail.Suisse und Gastro.Suisse, betonten, dass sie einem anderen Modell als dem nun vorgelegten zustimmen würden, wobei sie sich teilweise auf die nationalrätliche Vorlage bezogen.

Obwohl auch die Mehrheit der Organisationen und interessierten Kreise die Vorlage grundsätzlich unterstützte, zeigten sich nur wenige mit der vorgeschlagenen Finanzierung einverstanden. Während sich etwa Alliance Enfance, Kinderschutz Schweiz und Pro Juventute für eine alleinige Finanzierung durch den Bund aussprachen, befürworteten unter anderem kibesuisse und verschiedene eidgenössische Kommissionen (EKFF, EKF, EKKJ) eine geteilte Finanzierung zwischen Arbeitgebenden und Bund. Die EKFF stellte sich zudem explizit gegen eine Mitfinanzierung durch die Arbeitnehmenden. Auch erachteten viele Interessenorganisationen, aber auch die SP, die Mitte Frauen und der SGB, die vorgeschlagene Höhe der Zulage als zu tief – der Entwurf der WBK-SR sah einen Mindestbetrag der monatlichen Zulage von CHF 100 pro Kind und Betreuungstag vor. Zudem forderten weitgehend dieselben Kreise eine starke Erhöhung der Betreuungszulage für Kinder mit Behinderungen, wobei nicht selten auch eine einkommensabhängige und an den tatsächlichen Betreuungskosten orientierte finanzielle Unterstützung gefordert wurde.

Die Interessenorganisationen begrüssten ebenso wie die Mehrheit der restlichen Vernehmlassungsteilnehmenden die drei mit Programmvereinbarungen unterstützten Förderbereiche, wovon diejenigen zur frühen Förderung von Kindern und zur Schaffung zusätzlicher institutioneller Betreuungsplätze bereits bestehen und derjenige zur Schaffung von Plätzen für Kinder mit Behinderungen neu eingeführt werden soll. Darüber hinaus forderten sie, ebenso wie elf Kantone und verschiedene Parteien (Grüne, SP, EVP, Mitte Frauen), die Wiederaufnahme des Förderbereichs Qualität. Dabei vertraten die Interessenorganisationen die Position, dass nur qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote in Anspruch genommen würden und sich somit nur diese positiv auf die Erwerbstätigkeit von Eltern auswirken können. Nicht zuletzt forderte die Mehrheit der Organisationen und interessierten Kreise zusätzliche Mittel für die Programmvereinbarungen, wobei sie Sukkurs erhielten von der SP, den Mitte Frauen, den Grünen, dem SGB und einigen Kantonen (AR, BL, BS, FR, OW, SO, TI, VD).

Nach Vorliegen der Vernehmlassungsergebnisse machte sich die WBK-SR daran, ihren Entwurf zu finalisieren, um ihn daraufhin ihrem Rat zur Beratung vorzulegen.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)

In Erfüllung einer Motion Bulliard-Marbach (mitte, FR) präsentierte der Bundesrat im September 2024 seine Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches zur Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung. Darin griff er den bereits zwei Jahre zuvor in Erfüllung eines Postulats Bulliard-Marbach skizzierten Weg auf und schlug vor, im ZGB den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung als programmatische Norm festzuschreiben. Diese Norm soll Leitbildcharakter haben, aber keinen neuen Rechtsanspruch des Kindes auf gewaltfreie Erziehung begründen. Konkret sollen die Bestimmungen zur elterlichen Erziehung im Artikel 302 ZGB durch ein Verbot von Körperstrafen und die Ausübung anderer erniedrigender Handlungen erweitert werden. Zudem sollen niederschwellige Hilfs- und Beratungsangebote für Eltern und Kinder ausgebaut werden.

Im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorentwurf waren 77 Stellungnahmen (26 Kantone, 7 Parteien, 44 Organisationen und Weitere) eingegangen, die den Entwurf mehrheitlich begrüssten. Als einzige Vernehmlassungsteilnehmende lehnte die SVP den Entwurf vollumfänglich ab, da sie die Schaffung einer Norm mit Leitbildcharakter als nicht notwendig erachtete. Auf der anderen Seite begrüssten die Parteien die Mitte, FDP, GLP und die Grünen sowie 11 Kantone und 2 Organisationen den Entwurf vollumfänglich. Auch wenn sie die grundsätzliche Stossrichtung unterstützten, hatten viele Vernehmlassungsteilnehmende Änderungen am Entwurf gefordert. So verlangten unter anderem die SP, die EVP, sechs Kantone (BL, GE, OW, SO, TI, VD), die EKKJ, die SODK, die Vereinigung der Kinderärzt:innen (pädiatrie schweiz) und diverse Kinderrechts- und -schutzorganisationen die explizite Verankerung eines Rechts des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung oder zumindest dessen Erwähnung in der Botschaft zur Gesetzesvorlage. Besagte Organisationen sowie etwa die SODK, die EKFF, die EKKJ und zwei Kantone (FR, JU) bemängelten zudem die im Vorentwurf enthaltene Formulierung von «anderen Formen entwürdigender Gewalt» – gewisse Gewaltformen würden so nicht als entwürdigend und somit vermeintlich als erlaubt angesehen. Um Klarheit zu schaffen, sei der Bundesrat angehalten, in seiner Botschaft auszuführen, was genau unter gewaltfreier Erziehung gemeint sei. Diese Forderung wurde neben den genannten Organisationen auch von der SP, sechs Kantonen (BS, GR, LU, SH, VD, ZH) und den Universitäten Lausanne und Genf sowie von pädiatrie schweiz unterstützt. Auch psychische (SP; BS, GR, SH, VD, ZH sowie 20 Organisationen/Interessierte) und sexuelle Gewalt (12 Organisationen) oder das Miterleben von Gewalt (insieme Schweiz; pädiatrie schweiz) sollten nach deren Willen namentlich aufgeführt werden.

Als Reaktion auf die Vernehmlassungsergebnisse ersetzte der Bundesrat in seiner Botschaft den Begriff «entwürdigende Gewalt» durch «andere Formen erniedrigender Behandlung», um einen Auffangtatbestand zu schaffen. Auf die explizite Nennung des Verbots von psychischer Gewalt verzichtete der Bundesrat nach wie vor, stellte in seiner Botschaft jedoch klar, dass diese sowohl unter das generelle Gewaltverbot als auch unter die anderen Formen erniedrigender Behandlung fallen könne. Einer expliziten Verankerung des Rechts des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung stand der Bundesrat ablehnend gegenüber und verwies auf seine Ausführungen im eingangs erwähnten Postulatsbericht. Auch bezüglich der Beratungsangebote blieb der Bundesrat bei seiner ursprünglichen Fassung. Er stellte in seiner Botschaft jedoch klar, dass diese Formulierung umfassend zu verstehen und somit eine breite Form von fachgerechter Unterstützung mitgemeint sei. In der Vernehmlassung hatten verschiedene Teilnehmende gefordert, dass die entsprechende Formulierung zu den Hilfs- und Beratungsangeboten ausgeweitet werden sollte.

Änderung des Zivilgesetzbuches (Gewaltfreie Erziehung; BRG 24.077)
Dossier: Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch

In der Frühjahrssession 2024 forderte Christophe Clivaz (gp, VS) den Bundesrat auf, einen Bericht über Inzest in der Schweiz zu verfassen. Wie Clivaz in seiner Begründung erläuterte, habe eine Studie in Frankreich gezeigt, dass gerade Kinder und Jugendliche oft sexuellen Missbrauch durch Familienmitglieder durchleben müssten. Gleichzeitig komme es aber in der Schweiz jährlich nur zu durchschnittlich drei bis sechs Verurteilungen wegen Inzest, weshalb eine sehr hohe Dunkelziffer zu erwarten sei, die es mit diesem Bericht zu beleuchten gelte. Konkret solle unter anderem untersucht werden, wo Inzest stattfindet und welche Hürden bei der Meldung von Inzest bestehen. Zudem soll eine Analyse von in anderen Ländern angewandten, wirksamen Massnahmen gegen Inzest dabei helfen, Ansätze für die Schweiz zu identifizieren. Darauf aufbauend soll der Bericht entsprechende präventive Massnahmen sowie bessere Unterstützungsmöglichkeiten für die Betroffenen vorschlagen. In der Sommersession 2024 folgte der Nationalrat der Empfehlung des Bundesrates und hiess das Postulat diskussionslos und stillschweigend gut.

Inzest in der Schweiz wirksam bekämpfen (Po. 24.3298)

In der Sommersession 2024 hiess der Nationalrat stillschweigend und diskussionslos ein Postulat von Sidney Kamerzin (mitte, VS) gut. Kamerzin forderte vom Bundesrat einen Bericht über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in jeglichen Institutionen für Jugendliche und Kinder wie in Schulen, Ferienlagern oder kulturellen Vereinen. Während ein im September 2023 veröffentlichter Bericht gezeigt habe, wie verbreitet sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz sei, zeige ein Bericht in Frankreich, dass viel Missbrauch von Minderjährigen auch ausserhalb der katholischen Kirche stattfinde, so der Postulant. Entsprechend sei es angezeigt, Untersuchungen auch in der Schweiz über die Kirchen hinaus auszudehnen. Der Bundesrat empfahl das Postulat zur Annahme, behielt sich aber vor, Teilbereiche wie die Schule, die in den Verantwortungsbereich der Kantone fällt, aussen vor zu lassen.

Ausweitung der Untersuchung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen (Po. 24.3334)

Ein im April 2024 in Erfüllung eines Postulats Silberschmidt (fdp, ZH) publizierter Bericht fand keinen Nachweis dafür, dass die Gerichte einer Förderung der alternierenden Obhut im Wege stehen würden. Tatsächlich würde die alternierende Obhut zwar nach wie vor nur selten beschlossen, doch sei dies in erster Linie den «realen Lebensumständen» geschuldet – also namentlich weit auseinanderliegenden Wohnorten sowie der beruflichen und finanziellen Situation der beiden Elternteile –, folgerte der Bundesrat in seinem Bericht. Diese Rückschlüsse zog der Bundesrat nach Kenntnis zweier durch das Büro BASS in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich erstellter Studien, die in Erfüllung des Postulats in Auftrag gegeben worden waren und die unter anderem die Gerichtspraxis in fünf Kantonen untersuchten. Die Studien zeigten auch auf, dass die alternierende Obhut in der Romandie verbreiteter ist als in der Deutschschweiz, was auf die stärkere Erwerbsintegration der Westschweizer Mütter vor der Trennung zurückgeführt wurde. Zudem kam sie zum Schluss, dass die Regelung der Obhut nach einer Trennung oder Scheidung in den meisten Fällen einvernehmlich erfolge. In Fällen, wo dies nicht der Fall ist, wurde den Richterinnen und Richtern ein gutes Zeugnis attestiert im Versuch, eine Einigung zu erzielen und individuelle Lösungen für die Kinder zu finden. Auch gaben die im Rahmen der Studien befragten Richterinnen und Richter zu Protokoll, dass die Betreuungszeiten der Väter seit der Revision des Kindesunterhaltsrechts von 2017 generell zugenommen hätten und im Unterschied zu den früher üblichen Besuchen, die jeweils jedes zweite Wochenende stattfanden, nun auch «einzelne regelmässige Betreuungszeiten unter der Woche» umfassten.
Aufgrund all dieser Erkenntnisse folgerte der Bundesrat, dass es keiner weiteren Revision des Zivilgesetzbuches bedürfe. Vielmehr anerkannte er die Wichtigkeit gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und verwies auf die im Aktionsplan der Gleichstellungsstrategie 2030 aufgeführten Massnahmen, denn je ausgeglichener die Betreuungsverhältnisse bereits vor der Trennung seien, desto gleichmässiger verteilt seien sie auch nach der Trennung. Nicht zuletzt ortete der Bundesrat Handlungsbedarf im Bereich der Familienverfahren und Familiengerichtsbarkeit, wobei er auf laufende Abklärungen in Erfüllung mehrerer Postulate hinwies (Po. 19.3503; Po. 19.3478; Po. 22.3380; Po. 23.3047). Ebenfalls unterstützte er die Prüfung von möglichen Vereinfachungen der Unterhaltsberechnung. Auch dies entspricht der Forderung eines bereits überwiesenen Postulats (Po. 23.4328).

Evaluation der Gerichtspraxis nach der Revision des Unterhaltsrechts mit Fokus auf Obhuts- und Besuchsrechtsregelung (Po. 21.4141)
Dossier: Neuregelung der elterlichen Verantwortung 2012–2017

Auf Anraten der einstimmigen RK-SR beschloss auch der Ständerat in der Frühjahrssession 2024, zwei identischen Motionen Schneider Schüttel (sp, FR; Mo. 23.3734) und Riniker (fdp, AG; Mo. 23.3735) zuzustimmen, die den unbezahlten Jugendurlaub für ausserschulische Jugendarbeit von einer auf zwei Wochen pro Jahr anheben wollten. Damit ist der Bundesrat damit betraut, eine entsprechende Gesetzesanpassung auszuarbeiten.

Stärkung des Jugendurlaubs (Mo. 23.3734; Mo. 23.3735)

Anfang März 2024 schickte die WBK-SR ein alternatives Modell zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung in die Vernehmlassung. Während der Nationalrat seiner Kommission folgend eine 20-prozentige Beteiligung des Bundes an den Drittbetreuungskosten der Eltern vorsehen wollte, beinhaltete das Modell der WBK-SR anstelle einer Kostenbeteiligung die Einführung einer Betreuungszulage. Diese sollte für Kinder bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres bezogen werden können, wobei die Höhe der Zulage in Abhängigkeit der Anzahl Betreuungstage bestimmt werden sollte. Vorteile sah die ständerätliche Kommission in einem solchen Modell unter anderem folgende: Zum einen könne dadurch an ein bestehendes System angeknüpft werden, denn ebenso wie die Kinder- und Ausbildungszulagen könnte auch eine Betreuungszulage via die Familienausgleichskassen respektive die Arbeitgebenden entrichtet werden. Damit könnte der administrative Aufwand massgeblich verringert werden, so die Kommission in ihrem Zusatzbericht zuhanden der Vernehmlassungsteilnehmenden. Zum anderen wäre auch der finanzielle Aufwand des Bundes deutlich tiefer, respektive abgesehen von den Programmvereinbarungen gar «haushaltsneutral», während die WBK-SR im Falle der Umsetzung des nationalrätlichen Modells mit Mehrausgaben in der Höhe von CHF 700 Mio. pro Jahr rechnete. Die eigene Vorlage könne gemäss Zusatzbericht somit «einen massgeblichen Beitrag zur Haushaltbereinigung in den Finanzplanjahren leisten». Bezahlen würden somit die Arbeitgebenden. Dies sei legitim, da es schliesslich auch im Interesse der Wirtschaft liege, die Erwerbsbeteiligung in der Schweiz zu erhöhen, so Benedikt Würth (mitte, SG), der das ständerätliche Modell in der Kommission mitgezimmert hatte. Bereits im Vorfeld der Vernehmlassung liess der Arbeitgeberverband im Tages-Anzeiger verlauten, dass er das nationalrätliche Modell unterstütze und es seinerseits als staatliche Aufgabe betrachte, dass genügend finanzierbare Betreuungsplätze vorhanden seien. Ob auch die Arbeitnehmenden in die Pflicht genommen würden, liess die Vernehmlassungsvorlage als Möglichkeit offen.
Ein weiterer Unterschied zur Version des Nationalrates ergab sich bei den Programmvereinbarungen. Hier beantragte die Kommissionsmehrheit, die Förderbereiche für Massnahmen der Qualitätsförderung und für eine bessere Abstimmung der familienergänzenden Kinderbetreuung auf die Bedürfnisse der Eltern zu streichen, da diese Bereiche vorwiegend in die Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden fielen. Somit verblieben drei Förderbereiche, namentlich die Förderbereiche zur Schaffung von mehr institutionellen Betreuungsplätzen, zur Weiterentwicklung der Politik der frühen Förderung von Kindern sowie der neu eingeführte Förderbereich für Kinder mit Behinderungen, für die die Kommissionsmehrheit für die ersten vier Jahre einen Verpflichtungskredit von CHF 128 Mio. vorsah. In der Kommission fanden sich diverse Minderheiten, die sowohl einen tieferen als auch einen höheren Verpflichtungskredit befürworteten, oder die sich nicht einverstanden zeigten mit der Auswahl der Förderbereiche. Bis am 12. Juni 2024 können Vernehmlassende Stellung nehmen zu den verschiedenen Anträgen zum Entwurf der WBK-SR.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)

Im Februar 2024 beschloss auch die SPK-NR, einer Standesinitiative aus dem Kanton Genf, welche UMA bis zum Alter von 25 Jahren und nicht nur bis zu ihrem 18. Geburtstag schützen möchte, mit 17 zu 7 Stimmen keine Folge zu geben. Sie fügte dabei dieselben Gründe wie zuvor ihre Schwesterkommission an: Sie wolle kein abweichendes Volljährigkeitsalter für eine bestimmte Kategorie von Personen und sehe die Zuständigkeit in der Betreuung von UMA bei den Kantonen. Eine solche Betreuung würde von zahlreichen Kantonen von Fall zu Fall bereits angeboten; eine Unterstützung für alle UMA «nach dem 'Giesskannenprinzip'» sei indes nicht nötig.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA) sollen bis zum Alter von 25 Jahren geschützt werden (Kt.Iv. 23.301)

Im Dezember 2022 begann ein 18-jähriger afghanischer Asylsuchender, der als unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender (UMA) in die Schweiz eingereist war, in einem Flüchtlingszentrum in Genf Suizid. Dieses tragische Ereignis führte in Genf nicht nur zu einer Demonstration von ungefähr 400 Personen aus dem Umfeld des Verstorbenen, sondern bewegte den Kanton auch dazu, eine Standesinitiative einzureichen, in der dieser vom Bund forderte, UMA bis zum Alter von 25 Jahren und nicht nur bis zu ihrer Volljährigkeit zu schützen. Der Kanton begründete seine Forderung insbesondere mit besagtem Suizid und ganz generell mit der fragilen psychischen Gesundheit von UMA. Der abrupte, durch den 18. Geburtstag erfolgende Statuswechsel erschwere zudem die Planung der individuellen Integration des UMA, die der Kanton als notwendig erachte, da «in der Praxis eine Rückführung so gut wie unmöglich» sei.
Im November 2023 beantragte die SPK-SR mit 6 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen), der Standesinitiative keine Folge zu geben. Die Kommission erachtete es als «willkürlich», die Minderjährigkeit nur für eine bestimmte Kategorie von Personen neu zu definieren. Darüber hinaus äusserte die SPK-SR die Befürchtung, dass dadurch die Attraktivität der Schweiz als Zielland für junge Asylsuchende erhöht werden könnte. Zuletzt nahm sie die Kantone in die Pflicht und argumentierte, dass es vorderhand in deren Verantwortung liege, Lösungen für eine angemessene Betreuung von jungen Asylsuchenden zu suchen.
Nach dem abschlägigen Antrag der Kommission befasste sich der Ständerat in der Wintersession 2023 mit der Standesinitiative. Da kein Gegenantrag vorlag, stimmte die kleine Kammer dem Antrag der Kommission stillschweigend zu und gab der Standesinitiative keine Folge.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA) sollen bis zum Alter von 25 Jahren geschützt werden (Kt.Iv. 23.301)

Der Nationalrat hatte in der Frühjahrssession 2023 einer von der WBK-NR erarbeiteten Version des Bundesgesetzes über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern (UKibeG) zugestimmt. Der Entwurf sah eine bis zu zwanzigprozentige Beteiligung des Bundes an den Kinderbetreuungskosten der Eltern vor.
Im Juni 2023 bezog die FK-SR im Rahmen eines Mitberichtsverfahrens Stellung zum Vorhaben. Dabei äusserte sie in erster Linie aufgrund der angespannten Finanzlage des Bundes «grosse Vorbehalte» gegenüber den vorgeschlagenen Instrumenten, die Kosten im Umfang von jährlich CHF 710 Mio. nach sich ziehen würden. Darüber hinaus vertrat die Kommissionsmehrheit die Ansicht, dass der Bund durch eine solche Unterstützung seine föderalen Kompetenzen überschreiten würde; vielmehr solle die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf namentlich durch steuerliche Anreize gefördert werden.
Nach Kenntnisnahme des Mitberichts und nach Anhörung diverser Kreise gab die beratende WBK-SR Ende August 2023 bekannt, einen anderen Weg verfolgen zu wollen als ihre Schwesterkommission. Sie beabsichtige die Schaffung einer neuen Betreuungszulage als Ergänzung zu den bestehenden Familienzulagen. Durch Festhalten am «eingespielten Vollzugssystem» sah die Kommission die föderale Kompetenzverteilung gewahrt. Darüber hinaus wären Eltern nicht an ein bestimmtes Modell der ausserfamiliären Kinderbetreuung gebunden und auch die Wirtschaft würde so zu einem finanziellen Beitrag verpflichtet, so die Kommission.
Um die bestehenden Fördermassnahmen unterdessen nicht ersatzlos auslaufen zu lassen, lancierte die WBK-SR im November 2023 eine Kommissionsinitiative, welche die Verlängerung der bisherigen Bundesbeiträge bis zur Inkraftsetzung der neuen Lösung oder bis spätestens Ende des Jahres 2026 bezweckte.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)

In der Herbstsession folgte der Nationalrat dem Antrag des Bundesrates auf Annahme zweier gleichlautender Motionen Schneider Schüttel (sp, FR; Mo. 23.3734) und Riniker (fdp, AG; Mo. 23.3735), die den unbezahlten Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit von einer auf zwei Wochen erhöhen wollten. In ihrer Begründung hoben die Motionärinnen die Bedeutung der ehrenamtlichen Jugendarbeit für die Arbeitswelt und die Gesellschaft hervor.

Stärkung des Jugendurlaubs (Mo. 23.3734; Mo. 23.3735)

In der Herbstsession 2023 befürwortete der Nationalrat mit 112 zu 42 Stimmen (22 Enthaltungen) eine Motion Romano (mitte, TI), welche die alternierende Obhut nach einer Trennung oder Scheidung als Regelfall festsetzen will. Mit Ausnahme der vollumfänglich befürwortenden GLP fanden sich sowohl ablehnende als auch enthaltende Stimmen in allen Fraktionen.
Der Bundesrat hatte sich zuvor ablehnend zur Motion gestellt, da er die Festsetzung des alternierenden Modells als Regelfall als zu starr erachtete. Seit Inkrafttreten der Unterhaltsrevision im Jahr 2017 seien die zuständigen Gerichte oder die Kinderschutzbehörde bereits zur Prüfung der alternierenden Obhut verpflichtet, sofern das Kind oder ein Elternteil dies verlange. Der in Erfüllung eines Postulats der RK-NR (Po. 15.3003) erstellte Bericht zur alternierenden Obhut habe ferner diverse Herausforderungen aufgezeigt. Darüber hinaus gelte es zuallererst, Postulatsberichte zum neuen Unterhaltsrecht abzuwarten (Po. 21.4141; Po. 19.3503) und den Fortschritt einer von beiden Kommissionen Folge gegebenen parlamentarischen Initiative Kamerzin (mitte, VS; Pa.Iv. 21.449) zu beobachten.

Alternierende Obhut nach Trennung oder Scheidung als Regelfall festsetzen (Mo. 22.4000)
Dossier: Neuregelung der elterlichen Verantwortung 2012–2017

Auch nach der zweiten Vorprüfung hielt die Mehrheit der RK-SR mit 6 zu 4 Stimmen (1 Enthaltung) an ihrem Antrag fest, einer parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission zur Schaffung einer Gesetzesgrundlage zur finanziellen Unterstützung privater Organisationen bei der Herkunftssuche bei Auslandsadoptionen keine Folge zu geben. Die bürgerliche Kommissionsmehrheit anerkannte zwar die damaligen Fehler der Schweizer Behörden in Zusammenhang mit den während den Siebziger- bis Neunzigerjahren stattgefundenen illegalen Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka. Sie zeigte sich jedoch überzeugt, dass diese Fehler in erster Linie den kantonalen Behörden zuzuschreiben seien, weswegen sie es nicht als angezeigt erachtete, dass der Bund für die Herkunftssuche finanzielle Mittel bereitstellt. Anders sah dies eine linke Kommissionsminderheit. Zwar seien die Kantone zuständig für die Adoptionsverfahren. Aber auch der Bund hätte die Möglichkeit gehabt, Beschwerde gegen die Entscheide der kantonalen Behörden einzulegen, so Minderheitensprecher Sommaruga (sp, GE) im Ständerat. Ebenfalls hätten die Bundesbehörden bei der Visaerteilung intervenieren können, spätestens nachdem die Problematik 1982 auch durch die Schweizer Presse publik gemacht worden sei, so Sommaruga weiter. Im Ständerat konnte die linke Kommissionsminderheit aber nicht über ihre Ränge hinaus punkten und die kleine Kammer gab der Initiative mit 31 zu 10 Stimmen keine Folge. Das Anliegen war damit erledigt.

Adoptionen und Herkunftssuche (Pa. Iv. 22.428)

Mit Verweis auf die Ratifizierung der UNO-Kinderrechtskonvention verlangte die Grüne Fraktion mittels parlamentarischer Initiative vom Bund, dass dieser Kinder besser vor Armut schützen soll. Dazu soll etwa ein Modell in Anlehnung an die Ergänzungsleistungen (EL) für AHV und IV geprüft werden. Ein ähnliches Anliegen verfolgte eine ebenfalls hängige Initiative von Valérie Piller Carrard (sp, FR; Pa.Iv. 20.454). Während sich die WBK-NR zu letzterer im Juni 2021 noch mehrheitlich positiv gestellt hatte, empfahl sie im August 2023, der Initiative der Grünen Fraktion mit 13 zu 10 Stimmen keine Folge zu geben. Die Kommissionsmehrheit vertrat dabei unter anderem die Position, dass die Armutsbekämpfung in kantonaler Zuständigkeit liege und die Kantone bereits über geeignete Instrumente zur Bekämpfung der Kinderarmut verfügten. In den Augen der Kommissionsminderheit, die für Folgegeben plädierte, stösst der Föderalismus in dieser gewichtigen Frage jedoch an seine Grenzen. Um den aus der Kinderrechtskonvention erwachsenen Verpflichtungen gerecht zu werden, brauche es die Einführung entsprechender EL auf Bundesebene, so die Kommissionsminderheit.

Kinder vor Armut schützen (Pa.Iv. 22.484)

Seit der Revision des Unterhaltsrechts, die per Januar 2017 in Kraft trat, ist die KESB dafür zuständig, nicht verheiratete Eltern mit gemeinsamen Kindern nach der Trennung bei der Ausarbeitung eines Unterhaltsvertrags oder einer Elternvereinbarung zu beraten. Mit einem Postulat wollte Yvonne Feri (sp, AG) den Bundesrat zur Prüfung veranlassen, inwiefern die KESB diese Beratung bei Unterhalts- und Elternverträgen gewährleiste. Gemäss Postulantin bestünden hier in der Praxis beträchtliche Unterschiede zwischen den Kantonen, manchmal fungierten auch Sozialdienste, Rechtsdienste oder Fachstellen als Anlaufstellen in diesen Belangen. Insbesondere für die Ausarbeitung von Elternvereinbarungen sei die Unterstützung durch die KESB lückenhaft. Wenn Unterhaltsverträge und Elternvereinbarungen separat ausgearbeitet würden, sei dies ineffizient, so Feri.
Der Bundesrat erklärte sich zur Annahme des Postulats bereit und beabsichtigte, dieses im Rahmen der laufenden Arbeiten zur Beantwortung zweier bereits überwiesener Postulate (Po. 19.3478; Po. 22.3380) zu erfüllen.
In der Sommersession 2023 nahm der Nationalrat das Postulat der Sozialdemokratin daraufhin stillschweigend an.

Kesb-Zuständigkeiten bei Unterhalts- und Elternverträgen (Po. 23.3047)
Dossier: Neuregelung der elterlichen Verantwortung 2012–2017

Im Juni 2023 wurde eine Motion Feri (sp, AG), die die Schaffung eines Bundesamtes für Familie, Generationen und Gesellschaft gefordert hatte, abgeschrieben, da sie nicht innert zwei Jahren vom Parlament behandelt worden war. Yvonne Feri hatte die alleinige Bearbeitung von sozialen Fragen betreffend Familien, Kinder, Jugendliche und Personen im Alter durch das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), respektive durch das dort angesiedelte Geschäftsfeld Familie, Generationen und Gesellschaft als nicht ausreichend erachtet. Der Bundesrat hatte in seiner abschlägigen Antwort auf ähnliche und ebenfalls von Bundesrat und Parlament abgelehnte Vorstösse verwiesen (Mo. 03.3599; Mo. 07.3759; Mo. 09.3666; Mo. 14.4252). Das Geschäftsfeld arbeite bei der Erfüllung seiner Querschnittaufgaben eng mit anderen Bundesämtern und mit den Kantonen zusammen. Ein neues Bundesamt würde zudem die «bestehenden Synergien gefährden und die effiziente Verwaltungsführung erschweren», so der Bundesrat in seiner Antwort zur Motion.

Schaffung eines Bundesamtes für Familie, Generationen und Gesellschaft (Mo. 21.3850)

Die KVF-SR beriet im Mai 2023 eine Motion Gugger (evp, ZH), welche fordert, dass unter 16-Jährige besser vor pornografischen Inhalten im Internet geschützt werden sollten. Während der Nationalrat den Vorstoss in der Sondersession 2022 annahm, beschloss die vorberatende KVF-SR mit 11 zu 1 Stimmen (bei 1 Enthaltung), ihrem Rat eine abgeänderte Motion zur Annahme zu empfehlen. Die Kommissionsmehrheit erachtete die vom Motionär vorgeschlagene Netzsperre aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten als nicht realistisch und strebte stattdessen eine vermehrte Zusammenarbeit zwischen Telekomanbietenden und Erziehungsberechtigten an. Insbesondere sollten Telekomanbietende Erziehungsberechtigte über Massnahmen zum Schutz vor Pornographie informieren.
Diese Änderung der Motion wurde auch vom Bundesrat befürwortet. Den originalen Vorstoss hatte er dem Nationalrat noch zur Ablehnung empfohlen.
In der Sommersession 2023 wurde die so abgeänderte Motion stillschweigend vom Ständerat angenommen. Somit geht das Geschäft zurück an den Nationalrat.

Unter-16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf dem Internet schützen (Mo. 20.3374)

Im Rahmen seiner Beratungen zum Bericht über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2022 schrieb der Nationalrat ein Postulat Bulliard-Marbach (mitte, FR) ab, das den Bundesrat dazu aufgefordert hatte, Möglichkeiten für eine Festschreibung der gewaltfreien Erziehung im ZGB aufzuzeigen. Der Bundesrat war dieser Forderung mit der Publikation eines entsprechenden Berichts im Herbst 2022 nachgekommen.

Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung (Po. 20.3185)
Dossier: Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch

Eine Motion Geissbühler (svp, BE), die durch Samenspende erzeugten Kindern ab 4 Jahren die Möglichkeit geben wollte, ihren leiblichen Vater kennenzulernen, scheiterte in der Sondersession im Mai 2023 im Nationalrat. Die Motionärin hatte argumentiert, dass das Kennenlernen der biologischen Eltern für die Identitätsfindung eines Kindes sehr wichtig sei, weswegen Kindern nicht erst nach ihrem 18. Geburtstag automatisch Auskunft über den Spender gewährt werden sollte, wie dies aktuell der Fall sei. Sie berief sich dabei auf Art. 7 Abs. 1 der UNO-Kinderrechtskonvention, der für die Kinder «soweit möglich das Recht [vorsieht], seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden».
Auch der Bundesrat berief sich in seiner ablehnenden Antwort auf besagte Konvention: Solch ein absoluter Anspruch würde dem allgemeinen Grundsatz der Kinderrechtskonvention (Art. 3 Abs. 1) widersprechen, wonach es jeweils das Kindeswohl und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen gelte. Überdies sei es auf Gesuch hin im Einzelfall bereits heute möglich, vor der Volljährigkeit die gewünschte Auskunft zu erhalten.
Der Nationalrat lehnte die Motion mit 130 zu 47 Stimmen (9 Enthaltungen) ab, wobei die Motionärin auf die Unterstützung eines Grossteils ihrer Fraktion und auf sechs Mitte-Vertretende zählen konnte.

Durch Samenspende erzeugte Kinder ab 4 Jahren über leiblichen Vater informieren (Mo. 21.4206)

Einen zeitgemässen Handlungsrahmen für die ausserfamiliäre Begleitung von Kindern forderte Nationalrat Benjamin Roduit (mitte, VS) mit einem gleichnamigen Postulat. Er wollte den Bundesrat beauftragen, die Pflegekindverordnung (PAVO) näher zu untersuchen und allfällige Problematiken zu identifizieren. Bei dieser Analyse sollten insbesondere der Aufbau und die Logik der PAVO im Vordergrund stehen. Auch der Bundesrat erkannte «unbestrittenen Handlungsbedarf» in Bezug auf die in die Jahre gekommene PAVO und empfahl den Vorstoss zur Annahme. Der Nationalrat kam dieser Forderung in der Frühlingssession 2023 stillschweigend nach.

Ein zeitgemässer Handlungsrahmen für die ausserfamiliäre Begleitung von Kindern tut not (Po. 22.4407)

Nachdem die WAK-NR ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung beschlossen hatte, nahm der Bundesrat dazu Stellung. Dieser stellte sich gänzlich ablehnend zu einem Bundesbeitrag zur Senkung der Betreuungskosten der Eltern. Ebenfalls stellte er sich gegen die im Entwurf vorgesehenen Programmvereinbarungen, gemäss welchen der Bund die Hälfte der Kosten zur Weiterentwicklung des familienergänzenden Betreuungsangebots und der frühkindlichen Förderung zu tragen hätte. Als Gründe für seine Haltung gab der Bundesrat an, dass die ausserfamiliäre Kinderbetreuung «in der Kompetenz der Kantone und auch in der Verantwortlichkeit der Arbeitgeber» liege und die angespannte Lage der Bundesfinanzen ein solches Engagement nicht zuliesse, ohne dass an einer anderen bedeutenden Stelle gespart werden müsse. Für den Fall, dass das Parlament doch Eintreten auf die Vorlage beschliessen sollte, gab der Bundesrat bekannt, welche Änderungsanträge er unterstützen würde. So sprach er sich für eine maximale Höhe der Bundesbeteiligung von 10 Prozent der Kinderbetreuungskosten aus – unter gleichzeitiger Beteiligung der Kantone an deren Finanzierung. Eine 10-Prozent-Beteiligung würde Ausgaben für den Bund von CHF 360 Mio. mit sich bringen, welche teilweise über eine Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer um 0.7 Prozentpunkte kompensiert werden könnten. Mit den so generierten Mehreinnahmen bei der direkten Bundessteuer von CHF 200 Mio. würde sich die finanzielle Zusatzbelastung des Bundes auf CHF 160 Mio. reduzieren. Darüber hinaus machte sich die Exekutive für weitere Anpassungen am Entwurf stark: So soll der Bundesbeitrag lediglich bis zum Ende der Primarstufe entrichtet werden und zwar nur in denjenigen Fällen, in denen die familienexterne Betreuung aufgrund Erwerbstätigkeit oder laufender Ausbildung der Eltern in Anspruch genommen wird.

Auch innerhalb der Kommission fanden sich etliche Stimmen, die mit dem in der Kommission ausgearbeiteten Entwurf nicht einverstanden waren. So hatte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2023 zuerst mit einem Ordnungsantrag von Beat Walti (fdp, ZH) auseinanderzusetzen. Walti beantragte, die Behandlung des Geschäfts bis nach der Abstimmung über die OECD-Mindeststeuer vom 18. Juni 2023 zu vertagen. Walti vertrat die Ansicht, dass die finanziell angespannte Lage des Bundeshaushalts keine Ausgaben in dieser Höhe zuliessen. Zudem warnte der Freisinnige davor, «das Fell [zu verteilen], bevor der Bär erlegt ist». So seien die zusätzlichen Einnahmen durch die OECD-Mindeststeuer, die die Kommissionsmehrheit wohl zur Finanzierung der Kinderbetreuungskosten verwenden wolle, aufgrund der anstehenden Volksabstimmungen noch nicht gesichert. Der Ordnungsantrag Walti fand indes nur Unterstützung in den geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP und SVP, während ihn die restlichen Fraktionen ebenso geschlossen ablehnten. So scheiterte der Ordnungsantrag mit 79 zu 111 Stimmen (4 Enthaltungen).

In der darauf folgenden Eintretensdebatte hatte sich der Nationalrat gleich mit drei Minderheitsanträgen auseinanderzusetzen. Eine durch Nadja Umbricht Pieren (svp, BE) vertretene Kommissionsminderheit bestehend aus SVP-Vertretenden forderte, nicht auf das Bundesgesetz einzutreten. Eine weitere, durch FDP-Vertretende ergänzte und durch Christian Wasserfallen (fdp, BE) vertretene Minderheit richtete sich explizit gegen die durch den Bund einzugehenden Programmvereinbarungen und stellte den Antrag, nur auf den entsprechenden Bundesbeschluss 2 nicht einzutreten. Sie nahm damit auch den Antrag der FK-NR auf, die zum Entwurf Stellung genommen hatte. Nicht zuletzt verlangte eine aus SVP-Vertretenden zusammengesetzte und von Diana Gutjahr (svp, TG) angeführte Kommissionsminderheit die Rückweisung des Geschäfts an die Kommission, damit eine neue Vorlage erarbeitet werden könne, die für alle Eltern, die für die Kinderbetreuung bezahlen, eine finanzielle Entlastung vorsieht. Stein des Anstosses für die Minderheit war, dass die Vorlage lediglich Vergünstigungen für Betreuungskosten für Kindertagesstätten, Tagesschulen oder staatlich anerkannte Tagesfamilien, also lediglich für die «rein externe[] und staatlich anerkannte[] Kinderbetreuung» (Gutjahr), nicht aber für andere Betreuungstypen, etwa für die Kinderbetreuung durch Nannys und Au-pairs oder durch Verwandte, Bekannte und Nachbarn vorsah. Mit 124 zu 59 Stimmen (bei 13 Enthaltungen) beschloss der Nationalrat schliesslich, entgegen dem Willen der Minderheit Umbricht Pieren auf die Vorlage einzutreten. Zu der geschlossen gegen Eintreten votierenden SVP-Fraktion gesellte sich eine aus sechs männlichen Nationalräten bestehende Minderheit der Mitte-Fraktion, die den Nichteintretensantrag unterstützte. Zudem enthielten sich 11 Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion der Stimme. Auch der Rückweisungsantrag Gutjahr konnte kaum über die Parteigrenze hinaus mobilisieren und wurde mit 129 zu 61 Stimmen (6 Enthaltungen) abgelehnt. Auch der Minderheitsantrag Wasserfallen, gemäss dem nicht auf die Programmvereinbarungen eingetreten werden sollte, scheiterte; die 87 unterstützenden Stimmen aus den Fraktionen der FDP, SVP sowie von einer Minderheit der Mitte-Fraktion reichten gegen die 103 Stimmen ablehnenden Stimmen nicht aus.

Auch in der Detailberatung lagen zahlreiche Minderheitsanträge vor – häufig mehrere zu demselben Paragrafen und in den meisten Fällen angeführt durch FDP- oder SVP-Kommissionsmitglieder. In den zwei zentralen Punkten setzte sich indes die Kommissionsmehrheit durch, so namentlich bei der Höhe der Bundesbeiträge. Hier obsiegte die Kommissionsmehrheit, welche den Bund zu maximal 20 Prozent an den Betreuungskosten der Eltern beteiligen wollte, gegen eine Minderheit I Gutjahr (maximal 10%), eine Minderheit II Wasserfallen (genau 15%) und eine Minderheit III Umbricht Pieren (genau 10%). Erfolglos blieb auch eine weitere, durch Diana Gutjahr angeführte Minderheit, die den Verpflichtungskredit für die Programmvereinbarungen mit den Kantonen zur Weiterentwicklung ihres Betreuungsangebots oder der Politik der frühen Kindheit halbieren wollte (von CHF 224 Mio. auf CHF 112 Mio.).
Durchsetzen konnte sich die Kommissionsminderheit in Form einer Minderheit de Montmollin (fdp, GE), die – ebenso wie der Bundesrat – forderte, dass die Regierung einen gewissen kumulierten Mindestbeschäftigungsgrad der Eltern festlegen kann, ab welchem der Anspruch auf Kostenbeteiligung durch den Bund besteht. Hier gesellte sich eine beinahe geschlossen stimmende GLP-Fraktion zu den Fraktionen der SVP, FDP und einer Minderheit der Mitte-Fraktion. Zudem setzte sich im Rat die Ansicht des Bundesrates durch, dass die Kostenbeteiligung lediglich bis zum Ende der Primarstufe erfolgen soll. Diese Ansicht teilte unterdessen auch die Kommissionsmehrheit, die sich im Nationalrat nicht zuletzt auch gegen eine Minderheit Prezioso (egsols, GE) durchsetzte, die – dem ursprünglichen Entwurf der Kommissionsmehrheit folgend – eine Kostenbeteiligung bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit forderte. Zudem sprach sich der Nationalrat einer Minderheit Nantermod (fdp, VS) folgend gegen einen Antrag der Kommissionsmehrheit aus, gemäss welchem die Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer in erster Linie zur Finanzierung des Bundesbeitrags für die familienexterne Kinderbetreuung eingesetzt werden sollen. Gleichzeitig lehnte der Nationalrat hingegen einen Minderheitsantrag ab, der gemäss Stellungnahme des Bundesrates den Kantonsanteil an den Bundessteuern zur Gegenfinanzierung um 0.7 Prozentpunkte hatte senken wollen. Somit blieb die Frage der (Gegen-)Finanzierung nach der nationalrätlichen Debatte gänzlich offen.

Nach etlichen Stunden Debatte verabschiedete der Nationalrat in der Gesamtabstimmung den Entwurf zum Bundesgesetz über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern (UKibeG) mit 107 zu 79 Stimmen (5 Enthaltungen) sowie den Bundesbeschluss 2 zu den Programmvereinbarungen mit 104 zu 84 Stimmen (5 Enthaltungen) zuhanden des Ständerates.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)

Der Ständerat bestätigte in der Wintersession 2022 den Entscheid des Erstrats und stimmte mit 27 zu 8 Stimmen dafür, das Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch zu verankern. Er folgte damit dem Antrag seiner RK-SR. Diese hatte sich zuvor mit 8 zu 3 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für die Motion ausgesprochen, da ihrer Ansicht nach Kinder im geltenden Recht nicht ausreichend vor Gewalt in der Erziehung geschützt seien. In der Schweiz komme fast jedes zweite Kind mit physischer und psychischer Gewalt in der Erziehung in Kontakt, was mithilfe einer Anpassung des ZGB deutlich reduziert werden könne. Dieser Effekt könne bereits in anderen europäische Staaten, welche Kinder durch entsprechende Gesetze vor Gewalt schützen würden, beobachtet werden. Trotzdem äusserten einige Ständeratsmitglieder Bedenken, wie denn die Überprüfung des Gewaltverbots zu erfolgen habe und welche Sanktionen als Gewaltausübung zu kategorisieren seien. Mit der Annahme durch den Zweitrat liegt es nun am Bundesrat, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im ZGB (Mo. 19.4632)
Dossier: Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch

Nach dem Nationalrat nahm in der Wintersession 2022 auch der Ständerat eine Motion Paganini (mitte, SG) an, die den Bundesrat aufforderte, die nötigen Schritte zur Ratifizierung des Haager Unterhaltsübereinkommens (HUÜ) zu unternehmen. Die kleine Kammer überwies den Vorstoss stillschweigend.

Haager Unterhaltsübereinkommen. Vorbereitung und Ratifizierung durch die Schweiz (Mo. 22.3250)