«Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» (BRG 25.018)

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Im September 2022 lancierte die Mitte die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» und reichte die Unterschriftenliste zur Prüfung bei der Bundeskanzlei ein. Nachdem die Bundeskanzlei bestätigte, dass die Unterschriften den gesetzlichen Anforderungen entsprachen, konnte die Mitte mit Unterstützung der EVP mit der Unterschriftensammlung beginnen. Das Ende der Sammelfrist wurde auf den 27. März 2024 festgesetzt.

Gleichzeitig lancierte die Mitte ebenfalls die Initiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!». Beide Initiativen würden darauf abzielen, die finanzielle Benachteiligung von Verheirateten im Vergleich zu unverheirateten Personen zu beseitigen. Bereits 2016 hatte die Mitte mit der Initiative «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» ähnliche Forderungen gestellt, war damit an der Urne jedoch knapp gescheitert. Die aktuelle Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» fordert, dass Ehepaare künftig zwischen einer individuellen Besteuerung ihrer Einkommen, wie bei unverheirateten Paaren, und einer gemeinsamen Besteuerung (wie bisher) wählen können. Dies würde bedeuten, dass die Steuerbehörden bei Verheirateten zwei Berechnungen durchführen müssten: eine für das gemeinsame Einkommen und eine für die getrennten Einkommen. Ehepaare würden dann den jeweils niedrigeren Betrag bezahlen. Laut der Blick-Zeitung würde die Mitte die daraus entstehenden jährlichen Kosten für den Staat auf ungefähr CHF 2 Mrd. schätzen. Damit wolle die Mitte die bevorstehende Einführung der Individualbesteuerung des Parlamentes verhindern, indem sie die Möglichkeit der gemeinsamen Besteuerung von verheirateten Paaren in der Verfassung verankern möchte, berichtete die Republik. Auch die NZZ betonte, dass die von der Mitte-Partei lancierte Volksinitiative teilweise im Gegensatz zur geplanten Individualbesteuerung stünde.

Anfang März 2025 veröffentlichte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative der Mitte «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!». Diese war im März des Vorjahres zusammen mit einer zweiten Volksinitiative der Mitte, welche die Rentenplafonierung für Ehepaare in der AHV beseitigen will, zustande gekommen. Die Initiative zur Besteuerung zielt auf eine Beseitigung der sogenannten «Heiratsstrafe» ab, bei der Ehepaare eine steuerliche Mehrbelastung im Vergleich zu Konkubinatspaaren aufweisen. Anders als beim Ansatz der Individualbesteuerung sollen Ehepaare gemäss der Initiative auch weiterhin eine gemeinsame Steuererklärung ausfüllen. Künftig werde jedoch nicht nur das summierte, sondern auch das individuelle Einkommen der Eheleute bei der Steuererklärung berechnet, wie es bei unverheirateten Personen der Fall ist. Das Ehepaar zahlt dann denjenigen Betrag, der bei den beiden Berechnungsvarianten niedriger ausfällt.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Volksinitiative und verzichtete auf einen Gegenvorschlag. Zwar teile der Bundesrat das Anliegen des Initiativkomitees, «die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren zu beseitigen», weswegen er kürzlich im Zuge der Beratung der «Steuergerechtigkeits-Initiative» einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet habe. Diese laufenden Arbeiten im Parlament würden jedoch durch die Volksinitiative erschwert. Erstens würde das Parlament bei einer Annahme der Initiative durch den neuen Verfassungsartikel in seinem «Spielraum [...] unnötig eingeschränkt». Zweitens verfolgten die beiden Initiativen zur Änderung der Familienbesteuerung zwei sich widersprechende Ansätze. Schliesslich sah der Bundesrat auch inhaltliche Mängel bei der Mitte-Initiative: So verletze diese beispielweise die Zivilstandsneutralität, da sie neue Ungleichheiten zwischen ledigen und verheirateten Paaren schaffen würde, falls sie durch ein Vollsplitting umgesetzt würde.

In der Herbstsession 2025 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der Volksinitiative der Mitte «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!». Da er erst im Mai die «Steuergerechtigkeits-Initiative» der FDP-Frauen, welche die sogenannte Heiratsstrafe durch die Einführung einer zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung beseitigen wollte, beraten hatte, war die Diskussion in der grossen Kammer stark von einer Gegenüberstellung der verschiedenen Modelle geprägt.

Zuvor hatte die WAK-NR die Mitte-Initiative mit 13 zu 12 Stimmen knapp zur Ablehnung empfohlen. Kathrin Bertschy (glp, BE) und Sophie Michaud Gigon (gp, VD) erklärten für die Kommissionsmehrheit, die Initiative der Mitte schreibe einzig vor, dass auch nach der Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe die Ehepaare weiterhin gemeinsam besteuert werden sollen, sodass für ihre Umsetzung Splitting-Modelle sowie das alternative Berechnungsmodell, welches der Bundesrat bereits einmal vorgeschlagen hatte, in Frage kämen. Jedoch würden alle geprüften Splitting-Modelle massive Steuerausfälle generieren, wobei das «günstigste» mit CHF 1.46 Mrd. mehr als doppelt so teuer sei wie die Einführung der Individualbesteuerung. Zwar würden viele Ehepaare durch ein Splitting steuerlich entlastet, dies gehe aber mit einer Mehrbelastung vieler unverheirateter Paare mit Kindern, Alleinerziehender und mittelständischer Ehepaare einher, weil beim Splitting im Gegensatz zur Individualbesteuerung die Progression auf das Zweiteinkommen nicht beseitigt werde. Dadurch würden im übrigen auch keine zusätzlichen Erwerbsanreize für Frauen geschaffen. Das alternative Berechnungsmodell generiere zwar nicht zwingend Mehrbelastungen, sei aber ebenfalls sehr teuer. Um die Steuerausfälle auf einem ähnlichen Niveau zu halten wie bei der Individualbesteuerung, müssten die Abzüge verringert und die Tarife angepasst werden, wodurch aber mit Ausnahme der zehn Prozent der obersten Einkommen «bei mehr Personen eine Mehrbelastung als eine Minderbelastung» entstehen würde. Folglich schnitten für die Kommissionsmehrheit alle geprüften Modelle zur Umsetzung der Initiative hinsichtlich Steuerausfällen, Beschäftigungseffekten und Mehrbelastungen schlechter ab als die Individualbesteuerung. Neben den Sprecherinnen und Sprechern der FDP-, SP-, GLP- und Grünen Fraktion schloss sich auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter in ihrem Votum diesen Argumenten an und empfahl, die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

Eine Minderheit um Leo Müller (mitte, LU) beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die Initiative sei absichtlich offen formuliert, so dass im Gesetzgebungsverfahren genügend Spielraum zum Austarieren des bestmöglichen Berechnungsmodells vorhanden sei. Im Gegensatz zur «Steuergerechtigkeits-Initiative» greife die Mitte-Initiative nicht in die Steuerautonomie der Kantone ein, die in vielen Fällen die sogenannte Heiratsstrafe bereits beseitigt hätten und die Einführung einer Individualbesteuerung grossmehrheitlich ablehnten. Die Individualbesteuerung würde zudem 1.7 Mio. mehr Steuerdossiers pro Jahr und «Tausende von Beamtenstellen auf Bundesebene» mit sich bringen, während die Mitte-Initiative lediglich eine minimale Verfassungsänderung bei der Berechnungsmethode der Bundessteuern anstrebe. Für eine Annahme sprach sich die Mitte-Fraktion aus, deren Position von Mitte-Parteipräsident Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) verdeutlicht wurde. Selbstverständlich bringe eine Entlastung von Ehepaaren Steuerausfälle mit sich. Schliesslich solle eine zu hohe Besteuerung einer Personengruppe beseitigt werden, ohne gleichzeitig – und dies tue die Individualbesteuerung – neue Ungleichheiten zu schaffen, ergänzte Bregy. Der Ratsmehrheit warf er zudem vor, «völlig undemokratisch» verhindert zu haben, dass das Volk gleichzeitig über die beiden Initiativen entscheiden könne. Rückendeckung erhielt die Mitte-Fraktion von Paolo Pamini (area liberale, TI), der in der Mitte-Initiative im Namen der SVP-Fraktion eine Stärkung der Institution der Ehe sah.
Schliesslich empfahl der Nationalrat die Volksinitiative der Stimmbevölkerung und den Ständen mit 99 zu 92 Stimmen zur Ablehnung. Für eine Annahme stimmten geschlossen die SVP- und die Mitte-Fraktion, während alle anderen Fraktionen geschlossen dagegen stimmten.