Ausübung des Unterschriftenrechtes bei Referenden und Volksinitiativen. Änderung des Verfahrens (Mo. 92.3125)

Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Die in den letzten Jahren einige Male festgestellte Praxis, dass Personen für das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden entschädigt worden sind oder dass – wie z.B. bei den Referenden gegen die Parlamentsreform – gleich Werbeagenturen mit der Unterschriftensammlung beauftragt wurden, veranlasste Ständerat Petitpierre (fdp, GE) zur Einreichung einer Motion. Er forderte darin, dass wie in Österreich Volksbegehren nur noch in bestimmten Büros (z.B. Gemeindeverwaltung) unterzeichnet werden dürfen. Nachdem Bundeskanzler Couchepin auf den für 1993 angekündigten Entwurf für die Revision des Gesetzes über die politischen Rechte verwiesen hatte, wandelte der Rat den Vorstoss in ein Postulat um.

Unterschriftsrecht bei Referenden und Volksinitiativen (Pa.Iv. 94.435)

Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Eine Reduktion der Unterschriftenzahl für Initiativen und Referenden visierte demgegenüber eine parlamentarische Initiative Blatter (cvp, OW) an. Allerdings wollte er gleichzeitig das Sammeln von Unterschriften wesentlich erschweren, indem die Formulare nur noch auf bestimmten, von den Gemeinden bezeichneten Amtsstellen rechtsgültig hätten unterzeichnet werden können. Nach Ansicht des Initianten könnten damit nicht nur gewisse Missstände bei Unterschriftensammlungen vermieden (z.B. Direct-Mail-Kampagnen durch bezahlte Werbebüros), sondern auch die Zahl der Volksbegehren insgesamt reduziert werden. Der Nationalrat stimmte dem Anliegen gegen den Antrag seiner Staatspolitischen Kommission vorerst zu, lehnte es dann aber nach einem Rückkommensantrag Steinemann (fp, SG) ab.

Bundesgesetz über die politischen Rechte (BRG 01.079)

Gegen Jahresende beantragte der Bundesrat dem Parlament eine Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte. Er beabsichtigt dabei insbesondere, die rechtlichen Grundlagen für kantonale Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe (via Internet) zu schaffen. Der Kanton Genf begann bereits mit den Vorarbeiten zu Testversuchen mit dem E-Voting. Die rasche Einführung war im Vorjahr mit parlamentarischen Vorstössen verlangt worden. Der Bundesrat soll ferner explizit ermächtigt werden, spezielle Informationskampagnen zur Verbesserung der Wahlchancen von Frauen und jungen Personen durchzuführen. Daneben soll die Bundeskanzlei beauftragt werden, die Unterschriftenlisten für Initiativen und Referenden im Internet bereitzustellen; allerdings nur zum Herunterladen und Ausdrucken und nicht zum direkten Unterzeichnen. Da in der neuen Bundesverfassung die Parteien rechtlich verankert sind, sollen sie in Zukunft bei den Nationalratswahlen privilegiert behandelt werden. Wenn sie sich bei der Bundeskanzlei registrieren lassen, würde für sie die Vorschrift nicht gelten, dass für die Wahlteilnahme mit einer Liste eine bestimmte Anzahl Unterschriften (100–400 je nach Kantonsgrösse) eingereicht werden muss. Diese Erleichterung würde allerdings nur registrierten Parteien gewährt, die bei den vorangegangenen nationalen Wahlen im betreffenden Kanton einen Sitz gewonnen oder einen Stimmenanteil von mindestens drei Prozent erreicht haben. Voraussetzung für die Registrierung selbst ist, gemäss dem Entwurf des Bundesrates, die Organisation der Partei als Verein und die Vertretung mit entweder mindestens einem Sitz im Nationalrat oder je drei Sitzen in drei Kantonsparlamenten. Die vom Ständerat mit der Überweisung eines Postulats seiner SPK (Po. 01.3210) formulierte Anregung, das bezahlte Sammeln von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu verbieten, wurde vom Bundesrat nicht in das Reformpaket aufgenommen.

Das Parlament verabschiedete die im Vorjahr vom Bundesrat beantragte Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte. Umstritten waren eigentlich nur zwei Neuerungen: das Projekt E-Voting (d.h. Abstimmen via Internet) und die Kompetenz des Bundesrats, bei den Nationalratswahlen Kampagnen zur Förderung der Stimmbeteiligung und der Erfolgschancen von Frauenkandidaturen durchzuführen (sog. Sensibilisierungskampagnen). Gegen den Widerstand der SVP-Fraktion, welche dem elektronischen Abstimmungsverfahren via Internet aus finanziellen Gründen keine Dringlichkeit zuerkennen wollte, schuf der erstberatende Nationalrat die Rechtsgrundlagen für die Durchführung von Pilotversuchen mit E-Voting in den Kantonen. Am meisten zu reden gaben die Sensibilisierungskampagnen. Die SVP beantragte Streichung, die Linke wollte den Bundesrat dazu nicht nur ermächtigen, sondern verpflichten, und Brunner (svp, SG) und Ursula Wyss (sp, BE) – bis Ende 2001 die beiden jüngsten im Rat – forderten, dass damit nicht nur weibliche, sondern auch junge Kandidaturen gefördert würden. Durchgesetzt hat sich schliesslich die Kommissionsmehrheit (SPK-NR) (Kann-Formel) ergänzt durch den Antrag Brunner/Wyss. Im Ständerat war es ebenfalls die Ermächtigung des Bundesrates, Sensibilisierungskampagnen durchzuführen, die zu einer Diskussion Anlass gab. Er folgte mit 17 zu 15 Stimmen seiner Kommissionsmehrheit (SPK-SR) und strich diese Bestimmung.

In der Differenzbereinigung lehnte er zweimal mit knapper Mehrheit (22 zu 20) einen Vermittlungsantrag Spoerry (fdp, ZH) ab, welcher die Kampagnen auf die Förderung der Stimmbeteiligung und der angemessenen Geschlechterverteilung beschränken wollte. Der Nationalrat seinerseits verwies auf den verfassungsmässigen Auftrag zur ausgeglichenen Vertretung der Geschlechter auch in der Politik und hielt zuerst zweimal an den Sensibilisierungskampagnen fest. Er gab erst nach, als die Einigungskonferenz beider Räte einen Verzicht darauf beschlossen hatte.

Erhöhung der Hürden für das Einreichen von Volksinitiativen (Po. 13.4155)

Dossier: Unterschriftenhürden für Volksbegehren

Das Postulat von Karl Vogler (csp, OW), das vom Bundesrat einen Bericht fordert, mit dem Möglichkeiten für eine Erhöhung der Hürden für das Einreichen von Volksinitiativen aufgezeigt werden sollen, wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen. Vogler schlug neben der Erhöhung der Unterschriftenzahl und der Verkürzung der Sammelfristen – Forderungen, die im Berichtjahr von zahlreichen Kommentatoren unterstützt wurden – auch vor, dass Unterschriften künftig nur noch im Gemeindebüro abgegeben werden sollen. Allerdings beeilte sich die Regierung in ihrer Stellungnahme zu betonen, dass die bundesrätliche Empfehlung der Annahme des Begehrens nicht gleichzusetzen sei mit der Annahme von Forderungen zur Errichtung von höheren Hürden. Vielmehr könne mit dem Bericht das Initiativrecht analysiert und optimiert werden. Dies würde auch die aktuellen Diskussionen über Umsetzung, Ungültigkeit und Funktion der Volksinitiative allgemein bedienen. Die befürwortende Haltung des Bundesrates zu einem Postulat führt normalerweise zu dessen stillschweigender Annahme im Parlament. Allerdings wurde das Begehren von Toni Brunner (svp, SG) bekämpft, was bedeutet, dass es im Rat noch diskutiert werden muss. Diese Diskussion fand allerdings 2014 nicht mehr statt. Ein weiterer Vorschlag zur Eindämmung der Über-Nutzung des Instrumentes "Volksinitiative" wurde Anfang November von Alt-Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz vorgebracht. Sie schlug vor, Volksbegehren Interessengruppen vorzubehalten, die nicht in der Regierung vertreten sind. Die ursprüngliche Idee der Volksinitiative sei es, einen Kanal für Minderheitenanliegen zu gewährleisten, die sich sonst kein Gehör verschaffen können. Dies sei für Regierungsparteien, die Volksbegehren immer mehr auch als Wahlvehikel missbrauchen würden, sicher nicht der Fall.

Das Postulat Vogler, das einen Bericht zu einer möglichen Erhöhung der Hürden für das Einreichen von Volksinitiativen gefordert hätte, wurde Ende 2015 abgeschrieben. Weil das vom Bundesrat zur Annahme empfohlene Begehren bekämpft worden war, war es nicht stillschweigend überwiesen worden. Eine Diskussion zum Thema fand im Nationalrat allerdings nicht statt, womit die Forderung von der Traktandenliste gestrichen wurde, weil sie seit mehr als zwei Jahren hängig gewesen war.

Keine fremden Eingriffe in die Schweizer Politik! (Pa.Iv. 18.423)

Dossier: Finanzierung der Politik

Das Referendum zum Geldspielgesetz hatte einige Diskussionen zur Finanzierung von Unterschriftensammlungen und Abstimmungskampagnen ausgelöst. Umstritten war insbesondere, ob es möglich sein darf, dass Akteure aus dem Ausland die Sammlung von Unterschriften und die Kampagne vor einer Abstimmung finanziell unterstützen. In der Tat wären die Interessen von Anbietern von Online-Spielen mit Sitz im Ausland vom neuen Geldspielgesetz beeinträchtigt worden, weil dieses Zugangssperren vorsah. Verschiedene Medien hatten damals berichtet, dass diese Kreise nicht nur die Unterschriftensammlung für das Referendum finanziell unterstützt, sondern auch Geld in die Abstimmungskampagne gesteckt hätten.
«Unzulässig und inakzeptabel» sei dies und würde die «Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen» untergraben, begründete Jean-René Fournier (cvp, VS) seine parlamentarische Initiative, mit der er ein Verbot der Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Initiativen sowie von Abstimmungskampagnen durch ausländische Mittel forderte.
Die SPK-SR gab der Initiative mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge und wollte die Aufnahme des Anliegens in eine Kommissionsinitiative prüfen, mit der mehr Transparenz in der Politikfinanzierung geschaffen werden sollte und die gleichzeitig als Gegenvorschlag für die Transparenzinitiative fungieren sollte.
Nur einen Monat später, Mitte Februar 2019, sprach sich allerdings ihre Schwesterkommission gegen die Initiative Fournier aus. Zwar teile sie die Ansicht, dass hinsichtlich Politikfinanzierung etwas getan werden müsse, es dürfe aber nicht reglementiert werden, woher die finanzielle Unterstützung konkret komme, erklärte die Kommission. Mit 14 zu 10 Stimmen empfahl die SPK-NR deshalb die parlamentarische Initiative zur Ablehnung.

Da sie im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Transparenzinitiative das von der parlamentarischen Initiative Fournier (cvp, VS) geforderte Verbot einer Finanzierung von Unterschriftensammlungen und Abstimmungskampagnen aus dem Ausland aufgenommen habe, sei das Anliegen des Walliser Kantonsvertreters umgesetzt worden, begründete die SPK-SR ihren Antrag auf Nicht-Folgegeben. Der Ständerat folgte diesem Antrag stillschweigend, nachdem er über Gegenvorschlag und Initiative debattiert hatte.

Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen (Mo. 19.4431)

Mit 139 zu 43 Stimmen hiess der Nationalrat einen Ordnungsantrag von Roger Nordmann (sp, VD), die Diskussion über die Motion von Baptiste Hurni (sp, NE) zu verschieben, gut. Normalerweise wird diskussionslos über einen Vorstoss abgestimmt, wenn der Urheber oder die Urheberin im Rat nicht anwesend und nicht offiziell entschuldigt ist. Baptiste Hurni sei vor vier Tagen Vater geworden und befinde sich nun zwei Wochen im Vaterschaftsurlaub, was offiziell im Parlamentsrecht nicht als Entschuldigungsgrund gelte, erklärte Nordmann die Abwesenheit seines Ratskollegen und seinen Ordnungsantrag. Gleichzeitig forderte er das Büro auf, Vaterschaftsurlaub als Abwesenheitsgrund zu klassifizieren.
Trotz einiger ablehnender Stimmen aus der SVP-, der FDP- und der Mitte-Fraktion gegen den Ordnungsantrag wird das Anliegen des frischgebackenen Vaters, Betrug bei Unterschriftensammlungen zu bekämpfen also doch noch diskutiert werden. Hurni hatte Anstoss genommen an Pressemeldungen, in denen berichtet wurde, dass im Rahmen des Referendums gegen das «Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» sowie beim Referendum gegen den «Vaterschaftsurlaub» mit falschen Angaben Unterschriften gesammelt worden waren. Im ersten Fall wurden anscheinend Signaturen mit dem Hinweis erschlichen, dass sich die Vorlage gegen Homophobie richte, im zweiten Fall wurde für (statt gegen) Vaterschaftsurlaub geworben. Mit der Motion fordert der Neuenburger Sozialdemokrat eine Änderung des Strafgesetzbuches, damit solche Irreführungen geahndet werden können und entsprechende Unterschriften zurückgezogen und für ungültig erklärt werden können.

In der Herbstsession wurde die verschobene Debatte zur Motion von Baptiste Hurni (sp, NE), mit der dieser Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen möchte, nachgeholt. Der Motionär bedankte sich zuerst für die Verschiebung und zitierte Beispiele von aktuellen Unterschriftensammlungen, bei denen Unterschriften nachweislich auf betrügerische Weise gesammelt worden seien. Laut Zeugenaussagen hätten für das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub Unterschriften sammelnde Personen behauptet, sie seien für einen Urlaub für Väter, währen Sammelnde für das Referendum gegen die erweiterte Rassismusstrafnorm angegeben hätten, gegen Homophobie zu sein. Zahlreiche Unterzeichnende hätten somit wegen dieser Irreführung ihre Unterschrift genau für die gegenteilige Haltung in die Unterschriftenbögen gesetzt. Im Strafgesetzbuch sei «betrügerisches Einholen von Unterschriften durch Lügen oder Täuschung» nicht als strafbare Handlung vermerkt und die entsprechenden Unterschriften seien auch nicht ungültig. Beides solle auf der Basis seiner Motion geändert werden, so Hurni.
Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, weil er das Strafrecht nicht als geeignet erachtete, um die Demokratie zu schützen. Zudem würden direktdemokratische Prozesse verlängert, wenn nach einer Unterschriftensammlung zuerst ein Strafverfahren abgewartet werden müsste. Schliesslich könne eine «aus Unachtsamkeit oder Gutgläubigkeit» abgegebene Unterschrift bei der Volksabstimmung wieder korrigiert werden. Der Rat folgte dieser von Bundeskanzler Walter Thurnherr in der Ratsdebatte vorgebrachten Argumentation und versenkte den Vorstoss mit 109 zu 61 Stimmen (1 Enthaltung). Die Unterstützung für das Anliegen stammte aus dem rot-grünen Lager.

Bericht zu E-Collecting (Po. 21.3607)

Dossier: Vote électronique

Die SPK-NR wollte den Bundesrat mittels eines Postulats dazu auffordern, einen Bericht zu E-Collecting zu verfassen. Es solle dabei weniger um technische Aspekte, als vielmehr um die «staatspolitischen Auswirkungen» gehen. Der Bericht solle die Folgen von E-Collecting auf das politische System z.B. hinsichtlich Fristen oder Unterschriftenhürden analysieren und auch eine öffentliche Diskussion anstossen. Die Idee für diesen Auftrag erwuchs der Kommission im Rahmen einer Anhörung zum Thema «elektronisches Sammeln von Unterschriften».
Der Bundesrat beantragte Annahme des Postulats. Dass es trotzdem zu einer Debatte im Nationalrat kam, war der Opposition einer Kommissionsminderheit aus SVP-Fraktionsmitgliedern geschuldet. Die SVP habe Erfahrung mit dem Sammeln von Unterschriften und sie brauche keinen Bericht, um zu wissen, dass dies nicht auf elektronischem Weg geschehen dürfe – argumentierte Jean-Luc Addor (svp, VS) als Sprecher dieser Minderheit. E-Collecting beraube die direkte Demokratie ihrem Charakter. Es sei nötig, mit den Bürgerinnen und Bürgern auf der Strasse in Kontakt zu treten. Freilich sei es für ressourcenschwache Gruppierungen einfacher, auf elektronischem Weg Unterstützung zu sammeln, aber das gelte auch für ressourcenstarke Gruppierungen, die damit die Bevölkerung massiv beeinflussen könnten. Die Mehrheit der grossen Kammer wünschte sich allerdings einen Bericht. Mit 124 zu 50 Stimmen (1 Enthaltung) erteilte sie dem Bundesrat den entsprechenden Auftrag. Die Gegenstimmern stammten praktisch ausschliesslich aus der SVP-Fraktion.

Ende November 2024 legte der Bundesrat seinen Bericht zur Elektronischen Unterschriftensammlung (E-Collecting) als Antwort auf das entsprechende Postulat der SPK-NR vor. Der Bericht umfasste Diskussionen zu möglichen technischen Ausgestaltungen, zu möglichen staatspolitischen Auswirkungen von E-Collecting und zu entsprechenden verfassungsrechtlichen Fragen. Die Regierung hob sowohl Chancen als auch Herausforderungen bei einer allfälligen Einführung der elektronischen Unterschriftensammlung hervor. Diese könne für Komitees, Bescheinigungsstellen und die Bundeskanzlei zwar kostensenkend wirken, ob, für wen und in welchem Umfang dies der Fall sein werde, müsse aber «zum jetzigen Zeitpunkt offenbleiben». E-Collecting könne zwar missbräuchlichen Unterschriften zuvorkommen, berge aber neue Risiken, weshalb auf die technische Umsetzung geachtet werden müsse – als «security by design» wurde dies im Bericht bezeichnet. Offen sei zudem, ob ein elektronischer Identitätsnachweis (E-ID) genüge, ob auch eine digitale Signatur Anwendung finden müsse und ob eine staatliche Stelle eine entsprechende Plattform anbieten müsse. Die möglichen staatspolitischen Folgen wurden als «vielfältig und kaum quantifizierbar» bezeichnet. Zwar wurde im Bericht die Erwartung geäussert, dass ressourcenschwache Akteure leicht bevorteilt würden und aufgrund geringerer Kosten eher Volksinitiativen lancieren würden und dass die direktdemokratisch indizierte Themenvielfalt dadurch etwas breiter werden könnte, dass aufgrund von Unterschriftensammlungen auf digitaler Grundlage aber eher nicht mit einem starken Anstieg der Zahl von Volksbegehren zu rechnen sei. Weil sich die staatspolitischen Auswirkungen einer Einführung der digitalen Unterschriftensammlung insgesamt eher nicht abschätzen liessen, müsse auch unklar bleiben, ob dafür eine Verfassungsänderung nötig wäre.
Um all den Unwägbarkeiten und der technischen Komplexität zu begegnen und das «Modernisierungspotential» von E-Collecting auszutesten, empfahl der Bundesrat im Bericht ein schrittweises Vorgehen. In einem Vorprojekt, das auch die Anliegen der kürzlich eingereichten Motionen zur Einführung von E-Collecting berücksichtigt, und das Kantone, Gemeinden und Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft einbinden soll, sollen praktische Versuche ausgearbeitet werden.

Bezahltes Unterschriftensammeln verbieten (Mo. 20.3015)

Der «Kommerzialisierung der Instrumente der direkten Demokratie» müsse ein Riegel vorgeschoben werden, befand Mathias Reynard (sp, VS). Konkret müsse man das Bezahlen von Unterschriftensammeln verbieten. In seiner Anfang 2020 eingereichten Begründung für diese Forderung verwies der Walliser Sozialdemokrat auf die Unterschriftensammlungen gegen den Vaterschaftsurlaub sowie gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Hier hätten die finanziellen Anreize zu «Lügen und unlauteren Methoden» angestiftet, was nicht nur die Meinungsbildung gefährde, sondern auch der Glaubwürdigkeit der direkten Demokratie schade. Reynard brachte das Beispiel des Kantons Genf, der ein solches Verbot kenne.
Der Bundesrat empfahl die Motion im Mai 2020 zur Ablehnung. Er verwies auf die Motion Hurni (sp, NE Mo. 19.4431), um zu unterstreichen, dass er Täuschungsversuche während Unterschriftensammlungen verurteile. Allerdings dürfe nicht von Einzelfällen darauf geschlossen werden, dass bezahltes Unterschriftensammeln generell unlauter sei. Diese Art des Sammelns sei zudem billiger als ein grosser Massenversand, weshalb ein Verbot schwächere Gruppierungen bestrafen könnte. Ein Verbot sei zudem unverhältnismässig.
In der Herbstsession 2021 vertrat Baptiste Hurni (sp, NE) den mittlerweile aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Motionär, stand aber auf verlorenem Posten. Mit 123 zu 61 Stimmen (1 Enthaltung) lehnte die grosse Kammer den Vorstoss ab. Die Stimmen aus der SP- und der GP-Fraktion reichten nicht für eine Annahme aus.

Bezahlte Demokratie ist Demagogie (Pa.Iv. 22.471)

Soll das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden bezahlt werden dürfen oder nicht? Mit dieser Frage setzte sich der Nationalrat in der Herbstsession 2023 auseinander. Stein des Anstosses war erstens eine parlamentarische Initiative von Léonore Porchet (gp, VD), die unter dem Titel «Bezahlte Demokratie ist Demagogie» ein Verbot bezahlter Unterschriftensammlungen forderte. In die Diskussion floss aber zweitens auch der Entscheid des Bundesrats mit ein; dieser hatte den Kanton Neuenburg zurückgepfiffen, der ein in einer kantonalen Volksabstimmung von 2021 angenommenes Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen nun zwar für kantonale und kommunale, nicht aber für nationale Anliegen anwenden darf.
In der Ratsdebatte warnte die Initiantin vor dem immer grösser werdenden Markt von Unternehmen, die Sammlerinnen und Sammler bezahlen würden. Diese hätten einen Anreiz möglichst viele Signaturen zu sammeln, weshalb sie nicht immer adäquate, stark vereinfachende oder gar falsche Argumente vorbrächten, um eine Unterschrift zu erhalten. Man könne teilweise gar von Belästigung sprechen, so Porchet. Insbesondere in der Westschweiz bestehe die Gefahr, dass die direkte Demokratie nicht mehr ein politisches Recht sei, sondern zu einem Finanzgeschäft für Unternehmen werde. Die Sprecherin der SPK-NR-Minderheit Natalie Imboden (gp, BE) erwähnte konkrete Beispiele um für eine Unterstützung des Anliegens zu werben: Die Lausanner Firma Incop bezahle etwa CHF 7.50 pro Unterschrift und habe nachweislich mit falschen Aussagen operiert. Dass ein entsprechendes Gesetz präventiven Charakter entfalten könne, zeige hingegen der Kanton Genf, wo eine entsprechende Regelung seit 1950 gelte. Die beiden Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO) und Marco Romano (mitte, TI) argumentierten mit den bereits vorhandenen und aus Sicht der Kommissionsmehrheit genügenden Sicherheitsmassnahmen. Zum einen würden die Strafbestände der Wahlbestechung und der Wahlfälschung «die schlimmsten Auswüchse» verhindern; zum anderen könne aber auch auf die «Mündigkeit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» vertraut werden. Diese seien sehr wohl in der Lage, sich zu überlegen, wofür sie eine Unterschrift gäben. Ein Verbot der Bezahlung von Unterschriften würde überdies Falschinformationen nicht verhindern. Die Kommission teile die Ansicht, dass Bürgerinnen und Bürger zunehmend durch Unterschriftensammlungen belästigt würden, nicht. Sie warne hingegen davor, die funktionierende direkte Demokratie zu stark zu regulieren. Der Entscheid des Bundesrats im Fall Neuenburg, der sich auch auf die deutliche Ablehnung einer Motion mit ähnlicher Stossrichtung vor wenigen Jahren stütze, zeige schliesslich, dass die Kantone solche Verbote einführen könnten, dies für die nationale Ebene aber nicht angezeigt sei. Die Initiative erhielt Unterstützung von den geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie den drei EVP-Mitgliedern der Mitte-Fraktion. Diese 70 Stimmen wurden freilich von einer Mehrheit aus 121 Voten aus den geschlossenen Fraktionen der GLP, der SVP und der FDP, sowie der restlichen Mitte-Fraktion überstimmt, womit der Initiative entsprechend keine Folge gegeben wurde.

Finanzielle Transparenz bei Unterschriftensammlungen auf Bundesebene (Pa.Iv. 23.422)

Mit ihrer parlamentarischen Initiative nehme sie einen Vorschlag der SPK-SR auf, die diese im Rahmen des indirekten Gegenvorschlags zur Transparenzinitiative diskutiert habe, pries Nadine Masshardt (sp, BE) ihre Forderung für finanzielle Transparenz bei Unterschriftensammlungen auf Bundesebene an. Konkret verlangte die Berner Sozialdemokratin eine Offenlegungspflicht von Spenden für die Sammlung von Unterschriften für Initiativen und fakultative Referenden sowie ein Verbot von anonymen Spenden oder Zuwendungen aus dem Ausland für Unterschriftensammlungen.
Die SPK-NR entschied sich allerdings im Frühjahr 2024 mit 14 zu 10 Stimmen gegen Folgegeben. Bei der entsprechenden Diskussion im Rahmen der Transparenzinitiative sei der Vorschlag von Transparenzpflichten bei Unterschriftensammlungen bewusst fallen gelassen worden, da dies als «unverhältnismässige Belastung» für Komitees – insbesondere für «Ad-hoc-Gruppierungen» – beurteilt worden war.
In der Ratsdebatte während der Sommersession 2024 argumentierte Marc Jost (evp, BE) im Namen der starken Kommissionsminderheit für Folgegeben, weil mit einer solchen Regelung das Vertrauen in die Demokratie gestärkt werden könne. Bürgerinnen und Bürger müssten im demokratischen Prozess von Beginn an erfahren, welche Interessen involviert seien. Bereits Unterschriftensammlungen würden von «grossen Geldgebern» beeinflusst, so Jost. Für die Kommissionsmehrheit brachte Christoph Riner (svp, AG) in der Folge ein zusätzliches Argument vor: Zu viel Transparenz könne dazu führen, dass nur noch über die Finanzierung und nicht mehr über den politischen Inhalt einer Initiative oder eines Referendums gesprochen würde.
Der Rat folgte mit 120 zu 72 Stimmen (1 Enthaltung) seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative keine Folge. Für Annahme der Initiative sprachen sich die SP-, die Grünen- und die grosse Mehrheit der GLP-Fraktion, unterstützt durch drei Mitglieder aus der Mitte-EVP-Fraktion, aus.

Pilotbetrieb für E-Collecting mit der E-ID-Vertrauensinfrastruktur (Mo. 24.3905; Mo. 24.3907; Mo. 24.3908; Mo. 24.3909; Mo. 24.3910; Mo 24.3911; Mo. 24.3912)

Wohl um dem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, reichten Mitte September 2024 gleich sechs Parlamentarier und eine Parlamentarierin aus beiden Kammern und fünf unterschiedlichen Fraktionen – nur die SVP-Fraktion fehlte – eine gleichlautende Motion ein. Matthias Michel (fdp, ZG; Mo. 24.3905), Gerhard Andrey (gp, FR; Mo. 24.3907), Dominik Blunschy (mitte, SZ; Mo. 24.3908), Marcel Dobler (fdp, SG; Mo. 24.3909), Beat Flach (glp, AG; Mo. 24.3910), Nik Gugger (evp, ZH; Mo 24.3911) und Min Li Marti (sp, ZH; Mo. 24.3912) forderten damit einen Pilotbetrieb für E-Collecting mit der E-ID-Vertrauensinfrastruktur. Die gleichlautende Begründung der Vorstösse nahm Bezug auf die «jüngsten Enthüllungen über die Fälschung und missbräuchliche Erschleichung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden» und verwies auf das Postulat der SPK-NR, mit dem die staatspolitischen Auswirkungen von E-Collecting untersucht wurden. Der Bundesrat müsse gestützt darauf ein technisch möglichst einfaches Pilotprojekt für E-Collecting starten, das den Datenschutz garantieren, Betrug verhindern und derart eingegrenzt werden soll, dass der Gebrauch der Volksrechte nicht übermässig ansteige. Technische Grundlage sollte die «E-ID-Vertrauensinfrastruktur» bieten. Das entsprechende Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise wurde zeitgleich von den Räten beraten.

In der Wintersession 2024 waren die sieben Motionen für einen Pilotbetrieb für E-Collecting mit der E-ID-Vertrauensinfrastruktur in beiden Kammern traktandiert. Im Ständerat stiess die Motion von Matthias Michel (fdp, ZG; Mo. 24.3905) auf einstimmige Unterstützung. Der Motionär bezeichnete sein Anliegen für die Installation eines Versuchsbetriebs als «Booster», der Erfahrungen ermögliche, auf welche dann bei der definitiven Gesetzgebung zurückgegriffen werden könne. Es sei eine «schöne, aber vielleicht nicht ganz zufällige Koinzidenz», dass tags zuvor die letzten Differenzen zum E-ID-Gesetz bereinigt worden seien, welches für E-Collecting von grosser Wichtigkeit sei und die Hoffnung wecke, dass Missbräuchen bei Unterschriftensammlungen Einhalt geboten werden könne. Michel erwähnte hierzu auch den bundesrätlichen Bericht zu E-Collecting, in dem aufgezeigt werde, dass die Auswirkungen der digitalen Unterschriftensammlung eine eigentliche «Blackbox» seien, was ebenfalls verdeutliche, dass vorgängige Tests nötig seien. In diesem Bericht hatte der Bundesrat die sieben Motionen zur Annahme empfohlen, was auch Bundeskanzler Viktor Rossi hervorhob. Selbstverständlich werde man die E-ID-Infrastruktur in die Überlegungen des Pilotbetriebs einbeziehen, der Bundesrat wolle dies allerdings mit Bedacht tun.

Die bundesrätliche Empfehlung zur Annahme hätte im Nationalrat eigentlich eine stillschweigende Annahme der restlichen, aus fast allen Fraktionen stammenden sechs Motionen mit identischem Inhalt bedeutet (Mo. 24.3907 von Gerhard Andrey, gp, FR; Mo. 24.3908 von Dominik Blunschy, mitte, SZ; Mo. 24.3909 von Marcel Dobler, fdp, SG; Mo. 24.3910 von Beat Flach, glp, AG; Mo 24.3911 von Nik Gugger, evp, ZH; Mo. 24.3912 von Min Li Marti, sp, ZH). Da sie jedoch allesamt von Jean-Luc Addor (svp, VS) bekämpft wurden, also von einem Mitglied derjenigen Fraktion, die selbst keinen entsprechenden Vorstoss eingereicht hatte, werden die sechs nationalrätlichen Vorstösse wohl in einer der kommenden Sessionen 2025 in der grossen Kammer debattiert werden müssen.

Missbräuchliche Unterschriftensammlungen

Nicht weniger als 13 Vorstösse und drei parlamentarische Initiativen wurden in der Herbstsession 2024 eingereicht, um dem Problem der missbräuchlichen Unterschriftensammlungen Herr zu werden. Ausgangspunkt der Vorstösse war ein Bericht des Tages-Anzeigers Anfang September 2024, in dem von «umfangreichen Fälschungen beim Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden» die Rede war. Mutmasslich sollen Firmen, die Unterschriften gegen Bezahlung sammeln, betrogen haben. Zwar wurde dieser Missbrauch bei den Nachkontrollen in den Gemeinden bemerkt – nicht existierende Adressen; Unterzeichnende, die gar nicht in der entsprechenden Gemeinde wohnen; falsche Geburtsdaten oder mehrmaliges Unterzeichnen fallen bei den Kontrollen auf, was bei der Schlussauszählung zu zahlreichen ungültigen Unterschriften führt. Dennoch ging der Tages-Anzeiger davon aus, dass ein Grossteil der gefälschten Unterschriften wohl nicht entdeckt würde und sprach folglich von einem «Fiasko für unsere Demokratie». In der Folge nahmen zahlreiche Medien die Geschichte auf und berichteten von Problemen vor allem in der Westschweiz. Die Medien fragten sich, ob bereits eingereichte Initiativen ohne die missbräuchlichen Unterschriften vielleicht nicht zustandegekommen wären. Gefordert wurde zudem eine rasche Einführung von E-Collecting und es wurde darüber diskutiert, ob dadurch das Vertrauen in die Institutionen Schaden nehme.

Die Probleme, die bezahlte Unterschriftensammlungen mit sich bringen, waren freilich schon früher im Parlament diskutiert worden: Einer parlamentarischen Initiative von Léonore Porchet (gp, VD), die ein Verbot von bezahlten Unterschriften verlangt hätte, hatte der Nationalrat im Frühling 2023 keine Folge gegeben; einer Verfassungsänderung des Kantons Neuenburg, mit der ebenfalls ein solches Verbot hätte eingeführt werden sollen, verweigerte das Parlament im August 2023 die Genehmigung; in der Herbstsession 2021 hatte der Nationalrat zwei Motionen versenkt, die ebenfalls ein Bezahlverbot (Motion Reynard, sp, VS; Mo. 20.3015) bzw. Massnahmen gegen Betrug beim Unterschriftensammeln (Motion Hurni, sp, NE: Mo. 19.4431) gefordert hatten. Schliesslich sprach sich der Nationalrat noch im Mai 2024 gegen die in einer parlamentarischen Initiative von Nadine Masshardt (sp, BE) vorgebrachte Idee aus (Pa.Iv. 23.422), eine Offenlegungspflicht hinsichtlich Finanzierung von Unterschriftensammlungen einzuführen – eine Forderung, die bereits im Rahmen des Gegenvorschlags zur Transparenzinitiative verworfen worden war. Die Begründungen gegen die verlangten Verschärfungen waren dabei die Befürchtung einer Überregulierung der direkten Demokratie, das Vertrauen in die Mündigkeit der unterschreibenden Bürgerinnen und Bürger oder ein gewisser Pragmatismus, dass fälschlicherweise abgegebene und nicht entdeckte, gefälschte Unterschriften in einer Volksabstimmung korrigiert werden könnten.

Auch die Bundeskanzlei war schon früher tätig geworden und hatte laut ihren Medienmitteilungen vom 10. und vom 25. September bereits 2022 Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht und diese laufend mit weiteren Verdachtsfällen ergänzt, die über die Jahre von den Kantonen gemeldet worden waren. Es bestehe der Verdacht, dass von den Behörden als ungültig erkannte Unterschriften gefälscht worden seien; es gehe dabei um «rund 950 mutmasslich gefälschte Unterschriften aus sechs Kantonen für fünf verschiedene Volksinitiativen». Die BK wollte aber aktuell von weiteren Massnahmen, wie etwa einer Sistierung laufender Unterschriftensammlungen oder einer Nachkontrolle zustandegekommener Volksinitiativen, absehen, da keine «belastbaren Indizien» vorlägen, mit denen gezeigt werden könne, dass Volksbegehren dank gefälschter Unterschriften die Unterschriftenhürden übersprungen hätten.

Der Bundesrat gab in einer eigenen Medienmitteilung dazu bekannt, dass die «Unterschriftensammlung im Gesetz bewusst niederschwellig ausgestaltet» sei und pragmatisch geregelt bleiben solle. Es sei aber ein runder Tisch geplant, an dem Massnahmen diskutiert werden sollten, mit denen Unterschriftenfälschungen vermieden werden könnten. Ein Vorschlag war etwa, dass Sammlerinnen und Sammler auf den Unterschriftenbögen vermerkt werden müssen.

Dies reichte den Fraktionen von SP, GP und GLP sowie einzelnen Mitgliedern von Mitte und FDP freilich nicht. Mit den eingangs erwähnten elf Motionen, zwei Postulaten und drei parlamentarischen Initiative wollen sie den Missbräuchen einen Riegel schieben. Gefordert wurde dabei eine Bewilligungspflicht des gewerbemässigen Unterschriftensammelns (Pa.Iv. 24.444 der grünen Fraktion; Mo. 24.3874 von Jean Tschopp, sp, VD), ein obligatorisches Erfassen des Namens der sammelnden Personen (Mo. 24.3875 der GLP-Fraktion; Pa.Iv. 24.450 von Bruno Storni, sp, TI), die Kontrolle aktuell laufender Unterschriftensammlungen auf gefälschte Unterschriften (Mo. 24.3857 der SP-Fraktion), ein generelles Verbot von bezahlten Unterschriften (Pa.Iv. 24.445 der Grünen Fraktion; Mo. 24.3855 der SP-Fraktion; Mo 24.4034 von Baptiste Hurni, sp, NE), die Transparenzmachung der Mittel, die für Unterschriftensammlungen aufgewendet werden (Mo. 24.3854 von Nina Schläfli (sp, TG); Mo. 24.3992 von Carlo Sommaruga, sp, GE), mehr Transparenz auf dem Markt für bezahlte Sammlungen (Mo. 24.3940 von Johanna Gapany, fdp, FR) sowie mehr Rechtssicherheit bei Unterschriftensammlungen (Po. 24.3853 der SP-Fraktion). Darüber hinaus reichte Benjamin Mühlemann (fdp, GL) eine Motion (Mo. 24.3851) ein, die eine «rasche Einführung der digitalen Unterschriftensammlung» forderte, eine Forderung, die tel quel auch in einer Motion von Greta Gysin (gp, TI; Mo. 24.4006) übernommen wurde. Martin Candinas (mitte, GR) forderte in seiner Motion, dass Stimmbürgerinnen und Stimmbürger kontrollieren können sollen, welche Volksbegehren oder Referenden sie unterschrieben haben, damit diese selber überprüfen können, ob ihre Unterschrift missbräuchlich verwendet wurde (Mo. 24.4220). Christian Dandrès (sp, GE) schliesslich möchte vom Bundesrat einen Bericht über Möglichkeiten zur Vereinfachung der Überprüfung von Unterschriften (Po. 24.4121).
Neben diesen 16 Anliegen wurden ebenfalls noch in der Herbstsession gleich sieben gleichlautende Motionen eingereicht, die den Bundesrat dazu auffordern, einen Pilotbetrieb für E-Collecting auf der Basis der E-ID einzurichten.

Runder Tisch: Integrität von Unterschriftensammlungen

Ende Oktober 2024 fand die erste Sitzung des Runden Tisches «Integrität von Unterschriftensammlungen» statt, an welcher rund 30 teilnehmende Parteien, Verbände und Behörden, aber auch Initiativkomitees, Beratungs- und Sammelorganisationen ihre jeweiligen Interessen vertreten sollten. Das Ziel der von der Bundeskanzlei ins Leben gerufenen Veranstaltung war das Ausarbeiten eines «Verhaltenskodexes» mit dem Qualitätsstandards für das (bezahlte) Sammeln von Unterschriften festgelegt werden sollen. Der Runde Tisch war einberufen worden, weil in den Medien Mutmassungen über Missbräuche bei der Sammlung von Unterschriften publik geworden waren, was unter anderem auch zu parlamentarischen Vorstössen mit Forderungen zur Einführung von E-Collecting geführt hatte. Laut Medienmitteilung könnten Elemente eines Verhaltenskodexes etwa mehr Transparenz hinsichtlich Sammelstrategien, bezahlten Sammlungen, Anstellungsbedingungen von Sammelnden oder auch eine Rückverfolgbarkeit von Listen mit Unterschriften sein. In der Medienmitteilung wurde ebenfalls betont, dass die Bundeskanzlei neben dem Runden Tisch weitere Massnahmen ergriffen habe – darunter ein «engmaschiges Monitoring» der Sammelprozesse und eine verstärkte Kontrolle bei der Auszählung von Unterschriften. Zudem seien Verdachtsfälle angezeigt worden. Über die Resultate der ersten Gespräche wurde offiziell nichts verlautbart.
Die Medien wussten dennoch zu berichten, dass zwei Firmen, die am meisten unter «Verdacht von Wahlfälschung» stünden, nicht am Runden Tisch teilgenommen hätten. Die Teilnehmenden seien grösstenteils mit den Vorschlägen für eine Selbstregulierung einverstanden, forderten aber strengere Regeln, so etwa der Tages-Anzeiger.

Rasche Einführung der digitalen Unterschriftensammlung (Mo. 24.3851)

Mit seiner Motion forderte Benjamin Mühlemann (fdp, GL) im September 2024 eine rasche Einführung der digitalen Unterschriftensammlung. Das heutige Prozedere beim Sammeln und Auszählen von Unterschriften für Volksinitiativen und fakultative Referenden sei nicht nur «veraltet», «ineffizient» und «fehleranfällig», sondern mute «im Digitalisierungszeitalter» gar «archaisch» an, so der Glarner Freisinnige bei seinem Votum in der Wintersession 2024, in der sein Vorstoss debattiert wurde. E-Collecting verspreche nicht nur mehr Effizienz, sondern auch mehr Sicherheit. Er verwies auf den Kanton St. Gallen, der vermutlich 2026 die Möglichkeit für digitales Unterschreiben auf kantonaler Ebene einführen werde. Dies zeige, dass rascher vorangegangen werden könne, als dies vom Bundesrat aufgrund des Berichts zum Postulat der SPK-SR (Po. 21.3607) empfohlen werde. Bundeskanzler Viktor Rossi verteidigte die Haltung der Regierung. Auch der Bundesrat wolle E-Collecting einführen. Dies sei aber eben nicht bloss eine technische Frage, sondern habe das «Potenzial, die Ausübung der Volksrechte grundlegend zu verändern». Aus diesem Grund wolle der Bundesrat zuerst einen Versuchsbetrieb einführen, weshalb er auch entsprechende Forderungen unterstütze und die Motion Mühlemann zur Ablehnung empfehle.
Der Mehrheit des Ständerats ging das aber anscheinend zu langsam: Die Motion wurde im Anschluss an das Votum des Bundeskanzlers mit 20 zu 15 Stimmen (3 Enthaltungen) angenommen.

Regelungen für das bezahlte Sammeln von Unterschriften (Mo. 24.3940, Mo. 24.4034, Mo. 24.3992)

In der Wintersession 2024 wies der Ständerat drei Motionen, mit denen Regelungen für das bezahlte Sammeln von Unterschriften gefordert wurden, gesammelt der zuständigen Kommission zur Vorprüfung zu. Die drei Forderungen waren im Herbst 2024 aufgrund von Medienberichten zu gefälschten Unterschriften – neben zahlreichen weiteren Vorstössen – eingereicht worden. Während die Motion von Carlo Sommaruga (sp, GE; Mo. 24.3992) verlangte, dass Initiativ- und Referendumskomitees ihr Budget für die Unterschriftensammlung sowie die Ausgaben für bezahlte Unterschriften (inklusive Auftragnehmende und Zahl der gekauften Unterschriften) offenlegen müssen, wollte Baptiste Hurni (sp, NE; Mo. 24.4034) bezahlte Unterschriften gänzlich verbieten. Die Motion von Johanna Gapany (fdp, FR; Mo. 24.3940) wiederum forderte gesetzliche Grundlagen, mit denen der Markt für die bezahlte Unterschriftensammlung transparent gemacht und unlauteres Geschäftsgebahren rasch aufgedeckt werden könnten.
Die Zuweisung an die Kommission war von Daniel Fässler (mitte, AI) und Pascal Broulis (fdp, VD) beantragt worden. Fässler legte für die Kommission dar, dass das Thema zwar «für medialen und für politischen Aufruhr gesorgt» habe, es aber keineswegs neu sei. Die SPK-SR habe Vertrauen in das bisherige Vorgehen der Bundeskanzlei, die sich dem Thema rasch angenommen habe. Die Kommission nehme die drei vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlenen Vorstösse zur Vorprüfung auf, wolle aber auch die Erkenntnisse der Bundeskanzlei mit einbeziehen.

Massnahmen zur Sicherheit bei Unterschriftensammlungen (Po. 24.3853)

Einer der zahlreichen Vorstösse, die im Herbst 2024 aufgrund eines Medienberichts über mögliche Fälschungen bei Unterschriftensammlungen eingereicht worden waren, war das Postulat von Nina Schläfli (sp, TG). Die Thurgauerin sprach von «schockierenden» Enthüllungen und forderte einen Bericht über mögliche Massnahmen zur Sicherheit bei Unterschriftensammlungen, um das Vertrauen ins politische System und in die Institutionen wieder zu stärken. Nachdem der Bundesrat das Postulat zur Annahme beantragt hatte, nahm der Nationalrat den Vorstoss in der Wintersession 2024 stillschweigend an.

Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BRG 25.047)

Dossier: Bundesgesetz über die politischen Rechte. Änderung (BRG 25.047)

Ende April 2025 legte der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vor. In sechs Bereichen wurden Änderungen angestrebt. Erstens soll der Bundesrat neu die durch das Gesetz geregelte Kompetenz haben, Volksabstimmungen zu verschieben oder abzusagen, wenn «eine schwere Störung» droht oder bereits eingetreten ist. Diese Teilrevision geht auf eine Motion Rieder (mitte, VS; Mo. 20.3419) zurück, die im Rahmen der entsprechenden Problematik während der Covid-19-Pandemie überwiesen worden war. Zweitens wird es blinden und sehbeeinträchtigten Stimmberechtigten durch spezielle Stimmzettel und Abstimmungsschablonen erleichtert, selbständig abzustimmen. Damit erfüllt die Regierung eine Motion der SPK-NR (Mo. 22.3371). Drittens und auf eine Motion Stöckli (sp, BE; Mo. 22.3933) zurückgehend, soll es neu möglich sein, eine Abstimmungsbeschwerde direkt ans Bundesgericht zu richten. Die Kantonsregierungen, die grundsätzlich erste Instanz bleiben, sollen in jenen Fällen entlastet werden, bei denen von kantonsübergreifenden Unregelmässigkeiten ausgegangen werden kann. Auf eine Forderung der GPK-NR zurück geht die vierte Teiländerung des BPR. Damit soll die Plausibilitätsprüfung beim sogenannten E-Counting, also der elektronischen Auszählung von Stimmzetteln, gesetzlich verankert werden. Fünftens wird per Gesetz die Einführung eines Pilotversuchs für E-Collecting geschaffen – eine Forderung, die erst kürzlich in zahlreichen Motionen gestellt worden war, von denen zwei bisher lediglich vom Ständerat angenommen worden waren. Die sechste Änderung ging schliesslich auf eine Motion Badran (sp, ZH; Mo. 24.3425) zurück: Von Mitgliedern eines Initiativkomitees soll im Bundesblatt künftig nicht mehr die gesamte Adresse, sondern lediglich noch Wohnort und Geburtsdatum veröffentlicht werden.

In der Vernehmlassung wurden die Änderungen begrüsst. Zahlreiche Kantone äusserten allerdings Kritik an der Idee, dass sie künftig Abstimmungsschablonen für sehbehinderte Menschen zur Verfügung stellen sollen. Da dies mit «grossen Umsetzungsproblemen» einhergehe, müssten auch alternative Massnahmen angeboten werden können, etwa die elektronische Stimmabgabe. Der Bundesrat hatte auf die Kritik reagiert und in der Botschaft den Spielraum der Kantone erweitert. Kritik war in der Vernehmlassung zudem gegen den neuen Rechtsmittelweg bei Abstimmungsbeschwerden laut geworden. Das Bundesgericht und zwei Einzelpersonen mahnten insbesondere Rechtsunsicherheiten an, weil nicht immer klar sein dürfte, ob die Kantone oder das Bundesgericht zuständig seien. Hier nahm der Bundesrat keine nachträglichen Änderungen vor, weil den Beschwerdeführenden kein Nachteil erwachse, wenn sie die falsche Instanz wählen würden. Gestrichen wurde allerdings die vom Bundesgericht kritisierte Erweiterung der Sachverhaltsprüfung. Das Parlament wird sich der Gesetzesrevision voraussichtlich noch 2025 annehmen.