Nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedeten die EU-Innenministerinnen und -Innenminister am 8. Juni 2023 einen Vorschlag für ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS), dessen definitive Verabschiedung für Frühling 2024 erwartet wurde. GEAS beinhaltet im Kern rasche und abgekürzte Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen. Die Herkunft sowie die Anerkennungschancen von Personen aus einem betroffenen Staat sollen darüber entscheiden, ob ein solches abgekürztes Verfahren zum Einsatz kommen soll, das bereits nach drei Monaten einen Entscheid verspricht. Dadurch sollen auch die irregulären Weiterreisen innerhalb des Schengen/Dublin-Raums verringert werden, was für das Binnenland Schweiz die Sekundärmigration spürbar verringern sollte, so der Tenor in den Medien (AZ und NZZ). Im Gegenzug zu den intensivierten Bestrebungen der Staaten mit EU-Aussengrenzen sieht GEAS Kompensationsleistungen durch die anderen EU-Staaten vor, sei dies im Rahmen der Zusicherung zur Aufnahme einer zu bestimmenden Anzahl von Asylsuchenden oder im Rahmen von finanziellen Ausgleichszahlungen. Beim GEAS handelt es sich nicht um eine Weiterentwicklung von Schengen/Dublin, weswegen unklar ist, inwiefern sich die Schweiz am Solidaritätsmechanismus gegenüber den EU-Grenzstaaten beteiligen wird. Allerdings leiteten die EU-Innenministerinnen und -Innenminister an ihrem Treffen auch eine Anpassung der Zuständigkeitsregeln in der Dublin-Verordnung ein, die ebenfalls auf eine Erschwerung der Sekundärmigration sowie auf eine Effizienzsteigerung der Asylverfahren abzielt. Diese müsste vom eidgenössischen Parlament als Weiterentwicklung von Dublin demnach befürwortet werden.
Gerhard Pfister (mitte, ZG) verlangte mittels Postulat vom Bundesrat, dass dieser Stellung nehme zu den Chancen und Risiken von GEAS, zum gesetzgeberischen Bedarf sowie zur Strategie des Budnes «damit die Schweiz die Chancen dieser Reform nutzen» könne.
Nachdem der Bundesrat die Annahme des Postulats beantragt hatte, überwies es der Nationalrat im Rahmen der ausserordentlichen Session «Zuwanderung und Asyl» Ende September 2023 an die Regierung.