Im Gegensatz zu Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf kantonaler und nationaler Ebene genössen Mitglieder von Gemeindeparlamenten bei der Ausübung ihres Mandats anscheinend keine Immunität, was Strafklagen gegen Gemeindepolitikerinnen und Gemeindepolitiker, die «in jüngerer Vergangenheit» aufgrund deren Äusserungen erhoben worden seien, deutlich machten, begründete Raphaël Mahaim (gp, VD) seine parlamentarische Initiative. Mit dieser wollte er es den Kantonen ermöglichen, Immunität auch für Gemeindepolitkerinnen und -politiker vorzusehen.
Eine knappe 12 zu 9-Mehrheit (3 Enthaltungen) der RK-NR empfahl Ende August 2023, der Initiative keine Folge zu geben. In ihrem Bericht machte die Kommission darauf aufmerksam, dass eine Umsetzung der Initiative zu einer Ungleichbehandlung zwischen Gemeinden mit Parlament und solchen mit einer Gemeindeversammlung führen würde. Das sogenannte «Wortprivileg» würde entsprechend nur Parlamentsmitgliedern, nicht aber Teilnehmenden an Gemeindeversammlungen erteilt. Zudem müssten Gemeinden wohl aufwändige Verfahren einführen, um jeweils entscheiden zu können, wann und wie die Immunität aufgehoben werden könnte. Die starke links-grüne Kommissionsminderheit machte hingegen geltend, dass eine unterschiedliche Behandlung von Parlamentsmitgliedern unterschiedlicher föderaler Stufen nicht gerechtfertigt erscheine.
In der Ratsdebatte während der Wintersession 2023 berichtete der Initiant über zwei Fälle im Stadtparlament Lausanne, bei denen die Strafverfahren zu Einschränkungen der beiden Parlamentarier geführt hätten. Der Minderheitensprecher Nicolas Walder (gp, GE) führte weiter aus, dass die demokratische Debatte gefährdet sein könnte, wenn Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf Gemeindeebene aus Furcht vor Anklagen nicht mehr alle Argumente vorbringen würden. Auch wenn die beiden berichteten Fälle letztlich zu Freisprüchen geführt hätten, müsse man eine Selbstzensur verhindern. Kommissionssprecher Lukas Reimann (svp, SG) wies neben den bereits im Bericht aufgeführten Gründen darauf hin, dass eine Motion mit einem ähnlichen Anliegen vor einigen Jahren schon einmal versenkt worden sei. Er äusserte wohl vor allem mit Blick auf die neuen Parlamentsmitglieder diesbezüglich eine Bitte: «Weil wir noch am Anfang der Legislatur sind: Man sollte sich vielleicht überlegen, ob man einen Vorstoss einreichen will, wenn vor wenigen Jahren ein Vorstoss mit dem genau gleichen Inhalt eingereicht und deutlich abgelehnt wurde». Sidney Kamerzin (mitte, VS), der ebenfalls für die Kommissionsmehrheit berichtete, führte zudem aus, dass in der GK diskutiert worden sei, dass die Abschaffung der föderalen Ungleichbehandlung nicht nur mit einer neuerlichen Ungleichbehandlung zwischen Parlamentsmitgliedern und Gemeindeversammlungsteilnehmenden einhergehe, sondern auch den «effet pervers» haben könnte, dass der Ton in der lokalen Politik aufgrund der gewährten Immunität vor allem bei wichtigen lokalen Angelegenheiten gemeiner und rüder werden könnte, was sicherlich nicht Absicht sein könne. Die Abstimmung, bei der eine 128 zu 59-Mehrheit der Initiative keine Folge geben wollte, zeigte einen markanten Graben zwischen dem befürwortenden Lager von Links-Grün und den restlichen, geschlossen gegen Folge geben votierenden Fraktionen. Die parlamentarische Initiative war damit vom Tisch.