Organisation internationale du Travail. Convention n° 191 (MCF 24.047)

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Mitte Mai 2024 orientierte der Bundesrat das Parlament über sein Vorhaben, das Übereinkommen Nr. 191 der ILO zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip zu verabschieden. In der entsprechenden Botschaft liess der Bundesrat verlauten, dass das Übereinkommen das Ziel verfolge, die Klarheit und Kohärenz des über die Jahre stark angewachsenen Korpus der internationalen Arbeitsnormen sicherzustellen. Das Kernelement der Vorlage bildet die Aufnahme des grundlegenden Prinzips eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das Normenwerk der ILO.

Das Übereinkommen Nr. 191 der ILO zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als fünftes grundlegendes ILO-Prinzip wurde in der Wintersession 2024 vom Nationalrat als Erstrat behandelt. Dem Rat lag dabei einerseits der Mehrheitsantrag der WAK-NR auf Eintreten und auf Rückweisung an den Bundesrat vor. Letzterer solle dem Parlament in einem Bericht aufzeigen, welche Regeln des Abkommens in der Schweiz direkt oder indirekt anwendbar seien. Danach solle er eine Vernehmlassung zum Abkommen durchführen und es anschliessend zusammen mit dem ILO-Abkommen Nr. 190 zur Definition von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt erneut den Räten vorlegen. Kommissionssprecher Sidney Kamerzin (mitte, VS) begründete den Rückweisungsantrag mit dem Umstand, dass Verbindungs- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Abkommen bestünden. Damit wies er auf den Umstand hin, dass das Übereinkommen Nr. 191 eine Aktualisierung der ILO-Instrumente vorsieht, die sich auf die grundlegenden Arbeitsprinzipien und -rechte beziehen. Daher poche die Kommissionsmehrheit darauf, dass eine breite Vernehmlassung durchgeführt und ein Zusatzbericht erstellt wird.
Andererseits standen ein Minderheitsantrag Buffat (svp, VD) auf Nichteintreten sowie ein Minderheitsantrag Flach (glp, AG) auf Ablehnung der Rückweisung an den Bundesrat im Raum. Die Minderheit Buffat sah in der Ratifizierung des Abkommens keinen Mehrwert für die Schweiz, da sie bereits über Gesetze und Praktiken im Bereich der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz verfüge. Das Übereinkommen könne vielmehr das ausgeklügelte Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Arbeitnehmenden und der Flexibilität der Arbeitgebenden durcheinanderbringen. Beat Flach wiederum wies darauf hin, dass das Schweizer Recht bereits den Anforderungen des Abkommens entspreche, daher seien keine diesbezüglichen neuen Bestimmungen oder Anpassungen von Nöten. Die Schweiz trage durch die Ratifikation des Übereinkommens aber dazu bei, das Prinzip der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz international zu stärken und setze ein wichtiges Zeichen für die Arbeitnehmendenrechte. Wirtschaftsminister Guy Parmelin wies in seinem Votum schliesslich darauf hin, dass es als Folge einer Nicht-Ratifikation für die Schweiz schwierig werden könne, diese Kriterien des Arbeitnehmendenschutzes in künftigen Freihandelsabkommen (beispielsweise mit China) unterzubringen. Überdies unterstützten die Sozialpartner die Ratifizierung und erachteten, wie auch der Bundesrat, die von der Kommissionsmehrheit geforderte Rückweisung an den Bundesrat als unverhältnismässig.
In der Folge sprach sich der Nationalrat mit 125 zu 65 Stimmen für Eintreten und damit gegen die Minderheit Buffat aus. Anschliessend folgte die grosse Kammer ihrer Kommissionsmehrheit und wies den Entwurf mit 117 zu 73 Stimmen und 1 Enthaltung an den Bundesrat zurück. Für die Minderheit Flach stimmten die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der GLP, der Grünen sowie zwei Mitglieder der Mitte-Fraktion.